rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerlicher Leistungsort bei entgeltlicher Zurfügungstellung pornographischen Bildmaterials über das Internet mit Hilfe anderer Dienstleister. Vorrang von § 3a Abs. 2 vor § 3a Abs. 4 UStG. Regelsteuersatz für Zurfügungstellung pornographischen Bildmaterials

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden dem Unternehmer, der über eine Website Internetnutzern die Möglichkeit verschafft, entgeltlich Bilder und Videos erotischen oder pornografischen Inhalts anzusehen, von einem im Ausland ansässigen Anbieter eine gebührenpflichtige Sonderrufnummer und eine Einwahlplattform zur Verfügung gestellt, über welche die Nutzer mit Hilfe eines sogenannten Webdialers über ihre Telefonrechnung Gebühren für kostenpflichtige Internetangebote entrichten können, und bezieht der Unternehmer die pornographischen Inhalte von einem anderen, im Inland ansässigen Anbieter, auf dessen Website die Endkunden mit Hilfe der Software des ausländischen Anbieters weitergeleitet werden, so stellt diese Zurverfügungstellung pornografischen Bildmaterials über das Internet durch den Unternehmer die „Veranstaltung” einer „unterhaltenden Leistung” i. S. d. § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG dar, ohne dass hierzu ein unmittelbarer Kontakt mit den Endkunden erforderlich wäre. Die „Veranstaltung” einer unterhaltenden Leistung liegt darin, dass durch die Koordinierung weiterer Dienstleister das Bildmaterial den Internetnutzern zugänglich gemacht wird; es liegt kein Fall einer Leistungskommission i. S. d. § 3 Abs. 11 UStG vor, wenn nicht der ausländische Anbieter, sondern der Unternehmer die Bilddarbietungsleistungen gegenüber den Internetnutzern erbringt.

2. Die Leistungsortsbestimmungen nach § 3a Abs. 2 UStG gehen den Leistungsortsbestimmungen nach

§ 3a Abs. 3 und 4 UStG vor.

3. Für die Erbringung der Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne ist nicht der Zahlungsfluss entscheidend, sondern wer bei wirtschaftlicher Betrachtung unter Einbeziehung der zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen die den Umsatz ausmachende sonstige Leistung erbringt.

4. Die Zurverfügungstellung pornographischen Bildmaterials unterliegt dem vollen Steuersatz, weil das bloße Betrachten eines Werkes kein urheberrechtlich relevanter Vorgang i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG ist.

 

Normenkette

UStG 2001 § 3a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 14, § 3 Abs. 11; UStG § 12 Abs. 1, 2 Nr. 7 Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.05.2012; Aktenzeichen XI R 16/10)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Besteuerung von Umsätzen, die die Klägerin im Zusammenhang damit erzielte, dass sie Internetnutzern die Möglichkeit verschaffte, Bilder und Videos -im Wesentlichen erotischen oder pornografischen Inhalts – anzusehen.

Die entsprechenden Zahlungen erhielt die Klägerin von der Gesellschaft X-S.R.L. – im Folgenden: X – mit Sitz in M in Spanien, die der Klägerin von Mai 2002 bis September 2003 monatlich Abrechnungen erteilte, unterteilt nach dem Herkunftsland des Nutzers. Wegen Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 49 ff., 78 ff. der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakten Bezug.

In diesem Zusammenhang liegt dem Gericht ein Entwurf eines Servicevertrags zwischen der X und der Klägerin vor, der jedoch nur seitens der Klägerin, nicht seitens der X, unterschrieben ist. Nach dem Vertrag stellte X der Klägerin eine gebührenpflichtige Sonderrufnummer und eine Einwahlplattform zur Verfügung, über die Nutzer mit Hilfe eines sogenannten Webdialers über ihre Telefonrechnung Gebühren für kostenpflichtige Internetangebote entrichten konnten bzw. sollten. Der Vertragsentwurf sieht ausschließlich die Zurverfügungstellung der Abrechnungssoftware, nicht die Zurverfügungstellung von inhaltlichen Angeboten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 32 ff., 194 ff. der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakte Bezug.

Ungeachtet der fehlenden Unterschrift auf dem Servicevertrag stellte die X im oben genannten Zeitraum über die von ihr betriebenen sogenannten Webdialer Verbindungen zu den von der Klägerin angebotenen oder jedenfalls vermittelten Bildinhalten her. Die dafür über die verschiedenen Telefongesellschaften eingezogenen Entgelte kehrte die X nach Abzug der von ihr an die Klägerin berechneten Gebühren an die Klägerin aus.

Gleichartige Geschäftsbeziehungen bestanden in geringerem Umfang auch noch zu anderen Firmen.

In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Jahreserklärungen behandelte die Klägerin die vorbezeichneten Umsätze als nicht steuerbar.

Der Beklagte führte vom 09.03.2004 bis 24.06.2004 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Streitjahre durch. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die Umsätze aus kostenpflichtigen Websites, bei denen die Abrechnung über im Ausland ansässige Firmen erfolge, steuerpflichtig seien. Dementsprechend erhöhte sie die steuerpflichtigen Umsätze in 2002 um 87.745, – EUR und in 2003 um 3...

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