rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO (Außenprüfung) setzt für den Steuerpflichtigen erkennbare Prüfungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist voraus

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen der Außenprüfung sind nur besonders qualifizierte Ermittlungshandlungen unter dem Begriff der Außenprüfung zu verstehen, die für den Steuerpflichtigen erkennbar darauf gerichtet sind, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln oder zu überprüfen.

2. Eine Hemmung der Verjährungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 AO tritt nicht ein, wenn für den Steuerpflichtigen erkennbar während der regulären Festsetzungsfrist keine qualifizierten Prüfungshandlungen durchgeführt worden sind.

3. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss die qualifizierte Prüfungshandlung als Maßstab für den Beginn der Außenprüfung die Jahre des Prüfungszeitraums betreffen, die von der Verjährung bedroht sind.

 

Normenkette

AO § 171 Abs. 4 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.04.2017; Aktenzeichen I R 76/15)

 

Tenor

Die Bescheide vom 26. Januar 2011 für 2001 und 2002 jeweils über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag, über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer, über die gesonderte Feststellung der Endbestände und zum 31. Dezember 2001 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG, zum bzw. auf den 31. Dezember 2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Dezember 2011 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten abwenden, sofern die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft – AG –, die bereits 191. gegründet worden ist. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von industriellen- und Handelsunternehmen, sowie die Beteiligung an solchen und die Vornahme von Geschäften aller Art. In den Streitjahren vermietete die Klägerin vorrangig gewerbliche Immobilien. Sie gehörte zum Unternehmensgeflecht der Familie B., die an diversen anderen Gesellschaften beteiligt war. Alleinige Aktionärin war zunächst seit 1996 Frau C.. Ab dem Jahr 2000 hielt sie nur noch 51 vom Hundert der Anteile und jeweils 24,5 vom Hundert der Anteile hielten die Töchter Frau D. und Frau E.. Den Vorstand vertrat im Streitjahr Frau D. und den Aufsichtsrat bildeten die Herren F., G. und Frau C..

Die Klägerin gewährte am 18. Dezember 1992 Frau C. ein Darlehen in Höhe von 6.000.000 DM. Schriftlich niedergelegt war neben einer Verzinsung von 8 vom Hundert und einer unbestimmten Laufzeit, dass es der Darlehensnehmerin vorbehalten war, das Darlehen ganz oder teilweise jederzeit zurückzahlen zu können und dass bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens und der anfallenden Zinsen etwaige Gewinnausschüttungen der Darlehensnehmerin zur Tilgung verwendet werden würden. Dieses Darlehen wurde in der Folge 1995 um einen weiteren Betrag von 1.000.000 DM aufgestockt. Aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage der Klägerin in den 90er Jahren konnte das Darlehen teilweise zurückgezahlt werden. Zum 31. Dezember 2002 wies das Darlehen noch den Stand von 783.907,84 EUR auf.

Die Klägerin war unter anderem an 2 Kommanditgesellschaften – KG – beteiligt. Nachdem die Komplementärinnen der beiden KGs im Jahr 2001 ihre Beteiligungen aufgaben, übernahm die Klägerin als jeweils einzige Kommanditistin das jeweilige Vermögen, was vor allem 2 Grundstücke betraf. Angelaufene Schulden übernahm die Klägerin ebenfalls. In den Jahren 2002/2003 zeichnete sich ab, dass mehrere Unternehmungen der Gruppe B. in finanzielle Schieflage geraten waren, so dass für diverse Gesellschaften Insolvenz angemeldet wurde.

Mehrere Unternehmen führten ihre finanziellen Angelegenheiten über die H. GmbH. Die Klägerin hatte eine Forderung gegenüber dieser GmbH in Höhe von 345.293,89 EUR. Zum Ausgleich dieser Verbindlichkeit hatte die GmbH ihre Forderung gegenüber Frau C. in dieser Höhe im Jahr 2002 an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin schrieb zum 31. Dezember 2002 unter anderem Forderungen an Frau C. in Höhe von insgesamt 1.129.201,73 EUR ab. Dabei handelte es sich um die von der H. GmbH abgetretene Forderung und um die Darlehensforderung aufgrund der Vereinbarungen aus 1992 und 1995. Wertberichtigungen in Höhe von insgesamt rund 1.448.000 EUR führten zu einem Jahresfehlbetrag in Höhe von ca. 1.200.000 EUR...

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