rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer. Gutglaubensschutz bei Ausfuhrnachweisen mit gefälschten Zollstempeln

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird der zur Erlangung der Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung tatbestandlich geforderte Ausfuhrnachweis aufgrund der Fälschung der Ausfuhrstempel der polnischen Grenzzollstellen nicht erbracht, kann der Unternehmer im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH zum Gutglaubens- bzw. Vertrauensschutz im Umsatzsteuerrecht den Schutz seines guten Glaubens für sich in Anspruch nehmen, wenn er detailliert darlegt, dass er die Fälschung nicht hat erkennen können und in der Art der Geschäftsabwicklung kein Grund für Zweifel an der Seriosität der Abnehmer bestand (Verfahren der Aussetzung der Vollziehung).

 

Normenkette

UStG 2005 § 6 Abs. 4 S. 1, Abs. 1 Nr. 2, § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6a Abs. 4; UStDV §§ 8-9; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide vom 23.10.2012 für 2005 bis 2007 wird in Höhe der ausgewiesenen Zahllasten bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller betreibt das Einzelunternehmen „B.”, das Parfums herstellt und vertreibt. Die Kundschaft besteht etwa zur Hälfte aus Käufern aus dem osteuropäischen Drittland, die die Ware gegen Barzahlung erwerben und die Ausfuhr selbst übernehmen. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde durch ein kriminaltechnisches Gutachten festgestellt, dass ein Teil der in den Jahren 2005 bis 2007 ausgestellten Rechnungen über steuerfreie Ausfuhrlieferungen Abdrucke von gefälschten polnischen Zollstempeln aufwiesen. Untersucht wurden die Stempelaufdrucke auf 57 Rechnungen an 13 Abnehmer. Auf diese Abnehmer entfielen Umsätze von rund 946.000 EUR der insgesamt in den Streitjahren erzielten Ausfuhrumsätze von rund 1.346.000 EUR. Auf den Prüfungsbericht vom 18.4.2012 wird Bezug genommen.

Die Prüferin und ihr folgend der Antragsgegner versagten die Steuerfreiheit für alle an die 13 Abnehmer ausgeführten Lieferungen und erhöhten die steuerpflichtigen Umsätze zu 16 % um 212.146 EUR (2005) und 274.590 EUR (2006) und zu 19 % um 320.353 (2007). Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide legte der Antragsteller Einspruch ein, der noch nicht beschieden ist, und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung, die der Antragsgegner ablehnte.

Der Antragsteller macht geltend, der Antragsgegner habe zu Unrecht alle Umsätze in das Drittland der Umsatzsteuer unterworfen, da er nicht einmal 5 % aller 1.185 Rechnungen an Drittlandsabnehmer überprüft habe. Dieser Prozentsatz sei nicht repräsentativ, zumal unklar sei, wie viele der untersuchten Rechnungen auf welche Jahre des Prüfungszeitraums entfielen. Unter Umständen betrage der Anteil der geprüften Rechnungen auch weniger als 5 % aller Rechnungen eines Jahres.

Zudem ignoriere der Antragsgegner, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) trotz mangelhaften Buch- und/oder Belegnachweises von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung auszugehen sei, wenn nach objektiver Beweislage eine Lieferung in das EU-Ausland feststehe. Dies gelte analog für Ausfuhrlieferungen. Die im Streitfall gegebenen Umstände ließen auf eine tatsächliche Ausfuhr schließen. Er – der Antragsteller – habe die Ware beim Zollamt D. zur Vorbereitung der Ausfuhr vorführen lassen. Sie sei alsdann in seinem Geschäft von den Kunden abgeholt worden, die sämtlich ihren Geschäftssitz in der Ukraine, Russland oder Kasachstan hätten. Es sei daher nicht plausibel, dass diese die Ware nicht ins Ausland verbracht hätten, es sei ihnen offenbar vielmehr um die Vortäuschung einer ordnungsgemäßen Verzollung gegangen.

Dessen ungeachtet sei die Steuerfreiheit nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BFH jedenfalls im Billigkeitswege zu gewähren. Denn er – der Antragsteller – habe von den gefälschten Stempeln keine Kenntnis gehabt und auch nicht haben können. Er habe als Privatperson vergeblich eine kriminaltechnische Überprüfung der Stempelabdrucke zu erreichen versucht, eine solche könne nach Auskunft des Zollkriminalamtes nur von Amts wegen erfolgen. Für ihn selbst – den Antragsteller – als Laien sei es unmöglich, eine Fälschung zu erkennen. Mit den ihm bekannten Abnehmern, die im Jahr 2000 gefälschte Rechnungen vorgelegt hätten, habe er keine Geschäfte mehr getätigt. Die Art der Geschäftsabwicklung – Barzahlung, Abholung anstatt Versendung, Transport durch mehrere Abnehmer gleichzeitig – sei für osteuropäische Kunden üblich und beruhe auf nachvollziehbaren Kosten- und Sicherheitserwägungen der Abnehmer. Er – der Antragsteller – habe somit keine Zweifel haben müssen und nicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vermissen lassen.

Schließlich sei die Vollziehung der angefochtenen Bescheide auch unbillig, weil er – der Antragsteller – in diesem Fall sofort Insolvenz anmelden müsste, Geschäftswerte zerschlagen und Arb...

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