Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Abziehbarkeit von außergewöhnlichen Belastungen und Vorsorgeaufwendungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist verfassungsgemäß und führt nicht dadurch zu einer verfassungswidrigen Besserstellung von Beamten gegenüber Arbeitnehmern, dass bei Arbeitnehmern Altersvorsorgebeiträge zum Bruttolohn gehören, während Beamte aufgrund des anders aufgebauten Versorgungssystems keine Altersvorsorgebeiträge zu leisten haben.

2. Eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Beamten entsteht auch nicht durch die Behandlung von Altersvorsorgebeiträgen als Sonderausgaben.

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.01.2017; Aktenzeichen VI R 75/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Ermittlung der zumutbaren Belastung beim Abzug von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung verfassungsgemäß ist.

Der verheiratete Kläger wurde im Streitjahr mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt und erzielte u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Steuerberater und vereidigter Buchprüfer.

Er leistete im Jahr 2006 Beiträge in Höhe von 19.463 Euro an die berufsständische Versorgungseinrichtung „Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer X”. Der Betrag setzt sich zusammen aus je 12.285 Euro Regelpflichtbeitrag und freiwilligen Beiträgen abzüglich 5.106 Euro Arbeitgeberzuschuss. In der Einkommensteuererklärung der Eheleute machte der Kläger die Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten zu den zukünftigen Rentenzahlungen geltend. Außerdem erklärten die Eheleute 4.148 Euro Krankheitskosten, wovon 4.037,32 Euro auf eine Augen-Laser-Operation der Ehefrau entfielen, als außergewöhnliche Belastungen.

Das beklagte Finanzamt ließ die Zahlungen an die berufsständische Versorgungseinrichtung im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 12. Dezember 2007 nicht zum Werbungskostenabzug zu. Nach Abzug der zumutbaren Belastung wurden die Krankheitskosten mit 2.069 Euro berücksichtigt. Auf den Einspruch des Klägers hiergegen erging am 1. Februar 2008 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2006, in dem die Beiträge an das Versorgungswerk mit 10.127 Euro als Sonderausgaben angesetzt wurden.

Nachdem das Rechtsbehelfsverfahren zunächst geruht hatte, erweiterte der Kläger sein Einspruchsbegehren dahingehend, dass zusätzliche außergewöhnliche Belastungen von 1.104 Euro zu berücksichtigen seien, da die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung um die von ihm geleisteten Beiträge an das Versorgungswerk zu kürzen sei. Am 19. Februar 2014 erging aus anderen Gründen ein erneuter Änderungsbescheid, im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom gleichen Tag zurückgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid 2006 erging vorläufig u.a. hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten bei Renteneinkünften sowie des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Krankheitskosten.

Mit seiner Klage vom 6. März 2014 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Seiner Auffassung nach verstößt die Berechnung der zumutbaren Belastung im Rahmen der Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen im Zusammenhang mit Altersvorsorgebeiträgen, die nur als Sonderausgaben abgezogen werden, gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), da bei Beamten die „fiktiven” Beiträge zur Altersvorsorge nicht berücksichtigt würden. Hieraus ergäbe sich ein niedrigerer Gesamtbetrag der Einkünfte und eine entsprechend geringere zumutbare Belastung, was letztlich zu höheren abziehbaren außergewöhnlichen Belastungen führe.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 ausgeführt, die Systeme der Altersversorgung von Beamten und Arbeitnehmern unterschieden sich in der Phase des Aufbaus insbesondere dadurch, dass die Versorgung der Beamten nicht beitragsfinanziert sei. Dabei falle dieser Unterschied bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht ins Gewicht, da entscheidend in beiden Fällen sei, dass sich der Gegenwert der geleisteten Dienste aus einem Anteil aktuell verfügbarer Zahlungen (abzüglich Lohnsteuer) und einem Anteil aktuell nicht verfügbarer Versorgungsanwartschaft zusammensetze. Aus dieser Sicht zeige sich, dass der Unterschied zwischen den „echten” Beiträgen der Arbeitnehmer zur Rentenversicherung und den „fiktiven” Beiträgen der Beamten eher rechtstechnischer Natur sei. Bei Arbeitnehmern gelte deren Beitragsanteil trotz mangelnder Verfügbarkeit als „zugeflossener” Bestandteil des Lohns, dessen Abführung erst die Versorgungsanwartschaft wachsen lasse. Dagegen fehle es bei Beamten an einem solchen Lohnsteuer auslösenden „Umweg” eines Zuflusses als Arbeitslohn, die Anwartschaft entstehe sogleich außerh...

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