Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Berichtigung einer vor dem 1.7.2011 erstellten, per E-Mail ohne elektronische Signatur versandten Gutschrift, in der Steuernummer bzw. Identifikationsnummer des leistenden Unternehmers fehlen und deren Leistungsbeschreibung ungenau ist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine vor dem 1.7.2011 erstellte Gutschrift (hier: im Jahr 2005), bei der die Steuernummer bzw. Umsatzsteueridentifikationsnummer des leistenden Unternehmers fehlen, die Leistungsbeschreibung nicht hinreichend genau ist und die per E-Mail ohne elektronische Signatur übermittelt worden ist, kann unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung und des Unionsrechts durch eine berichtigte Gutschrift in Papierform rückwirkend auf das Kalenderjahr, in dem die ursprüngliche Gutschrift erstellt worden ist, berichtigt werden, so dass dem Ersteller der Gutschrift bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen auch rückwirkend der Vorsteuerabzug zusteht.

2. Unrichtige bzw. ungenaue Leistungsbeschreibungen können mit Rückwirkung berichtigt bzw. ergänzt werden, wenn sie nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen (vgl. BFH, Urteil v. 20.10.2016, V R 26/15). Es bleibt offen, ob die Mindestanforderungen des BFH an eine „berichtigungsfähige Rechnung” (u.a. Leistungsbeschreibung) im Einklang mit Unionsrecht stehen.

 

Normenkette

UStDV § 31 Abs. 5 Sätze 1-3; UStG 2005 § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 14 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 2, Abs. 3 Nrn. 1-2, Abs. 4 S. 1 Nrn. 2, 5, S. 2, § 14a; EWGRL 388/77 Art. 18 Abs. 1 Buchst. a; EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 1; EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 8; EWGRL 388/77 Art. 22 Abs. 3 Buchst. b, c, e; Richtlinie 2006/112/EG Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nrn. 3, 6, Art. 217-218, 232-233

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.03.2020; Aktenzeichen V R 48/17)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2005 vom 28. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2014 wird geändert, indem die bislang festgesetzte Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2005 um –weitere– 33,44 Euro gemindert wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 Euro festgesetzt, hat die Klägerin in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin eine Gutschrift, die im Jahr 2005 ohne elektronische Signatur übermittelt worden ist, durch die Übersendung einer Gutschrift in Papierform im Jahr 2011 berichtigen konnte mit der Folge des Vorsteuerabzugs im Jahr 2005.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die u.a. in den elektronischen Vertrieb von Standardsoftware eingebunden ist. Dabei betreibt sie den Onlineshop für verschiedene Softwarehersteller. Der Kunde schließt über den Onlineshop den Kaufvertrag unmittelbar mit der Klägerin ab, die wiederum die Software bei dem Softwarehersteller unter Abzug einer Marge „Service Fee”) einkauft.

Die Klägerin erwarb im November 2005 von der Y GmbH (GmbH) Standardsoftware und rechnete darüber mit der hier streitigen Gutschrift vom 7. Dezember 2005 wie folgt ab:

Credit-Note to:

Y

Invoice no.:

2005-257

Customer-ID:

180397

Invoice

2005/12/07

date:

Contact:

Ship date:

2005/12/07

Fon:

Page:

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General Information:

Pos. 1

Item

Description

Number

Unit Price

Price

no.

1

000001

Transfer

Sum

November

1

208,99

208,99 EUR

2005

Sub total:

208,99 EUR

Tax:

33,44 EUR

Total:

242,43 EUR

Bank details

VAT-Nr.DE xxx

In der Gutschrift fehlte die Steuernummer oder Umsatzsteueridentifikationsnummer der GmbH. Zusammen mit der Gutschrift wurde ein „Accounting Report” übermittelt, in dem unter „Sales Products” die Netto-Umsätze aus den verkauften Software-Produkten in einer Summe zusammengefasst waren; darauf wurde der Steuersatz „16 %” angewendet und als Ergebnis der „Rechnungsbetrag brutto” angegeben. Die Klägerin übermittelte die Dokumente der GmbH per E-Mail ohne elektronische Signatur.

Die Klägerin zog zunächst die Vorsteuer aus der Gutschrift in Höhe von 33,44 EUR in ihrer Umsatzsteuererklärung 2005 vom 30. März 2007 von der Steuer ab.

Während einer betriebsinternen Prüfung fielen der Klägerin die Mängel der Gutschrift auf. Die Klägerin übermittelte daraufhin der GmbH mit Begleitschreiben vom 26. April 2011 die Gutschrift erneut, diesmal in Papierform. Der Gutschrift waren ein Blatt mit der Steuernummer der GmbH sowie eine Liste der von der GmbH erworbenen Software beigelegt.

Die Klägerin gab außerdem am 2...

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