Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen eines Heileurythmisten als heilberufliche Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bis zum Jahr 2006 sind Leistungen eines Heileurythmisten mangels berufsrechtlicher Regelung, mangels einer Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die Sozialversicherungen, bzw. mangels Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen keine von der Umsatzsteuer befreiten Heilbehandlungen i. S. d. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG.

2. Die ab dem Jahr 2006 erbrachten Leistungen eines Heileurythmisten sind als heilberufliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG umsatzsteuersteuerfrei, da sie als Regelleistungen von den Krankenkassen vergütet werden.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 14 S. 1; SGB V § 124 Abs. 2, § 92

 

Tenor

1. Die Verfahren wegen Umsatzsteuer für 1999 bis 2003, wegen Umsatzsteuer für 2005 und wegen Umsatzsteuer für 2006 werden zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden.

2. Die Bescheide über die Umsatzsteuer für 2006 vom 8. Mai sowie vom 23. Juni 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 1. April 2009 werden aufgehoben; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger neun Zehntel, der Beklagte ein Zehntel.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 44.659,10 Euro.

6. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 Euro, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 Euro kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger als Heileurythmist eine heilberufliche Tätigkeit ausübt und seine Umsätze deshalb nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind.

Der Kläger ist ordentliches Mitglied des Berufsverbands Heileurythmie e. V. Der Verband wiederum hat gemeinsam mit anderen Verbänden Verträge abgeschlossen „… zur Durchführung integrierter Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V (…) mit anthroposophischer Medizin” mit

  • der …krankenkasse X zum 1. Januar 2006 und
  • der Y zum 1. Juli 2006.

Bei dem Kläger wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Umsätze des Klägers nicht nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfrei seien. Der Beklagte folgte dem Bericht des Prüfers vom 8. August 2005. Dabei setzte er für die Kalenderjahre 1999 bis 2003 und 2005 sowie 2006 (Streitjahre) die Umsatzsteuer erstmals fest. Der Einspruch blieb jeweils erfolglos.

Der Kläger führt im Einzelnen aus, Heileurythmisten würden arztähnliche Leistungen erbringen. Er stützt sich hierzu u. a. auf folgende, in dem den Gerichtsakten zu dem Verfahren 12 K 179/06 beiliegenden Anlagenband abgeheftete Anlagen:

  • sein Abschluss-Zeugnis vom 10. Dezember 1994, ausgestellt u. a. von der Schule für Heileurythmische Heilkunst A (Anlage K 4),
  • sein Heileurythmie-Diplom vom 20. Februar 2007, ebenfalls ausgestellt u. a. von der Schule für Heileurythmische Heilkunst A (Anlage K 5),
  • die Leitlinie des Berufsverbands Heileurythmie e. V. zur Methode der Heileurythmie (Anlage K 1),
  • die (gemeinsame) Information der Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland e. V. und des Berufsverbands Heileurythmie e. V. vom Januar 2007 (Anlage K 2),
  • den Bescheid des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. August 2007 (Anlage K 6),
  • die Information der B Betriebskrankenkasse zur Kostenerstattung bei anthroposophischen Therapien (Anlage K 11),
  • die Veröffentlichung der …krankenkasse X (ohne Datum) über „Anthroposophische Medizin – vom Modellprojekt zur garantierten Standardleistung” (Anlage K 13),
  • das Schreiben der …krankenkasse X vom 24. Juli 2007 (Anlage K 26),
  • die Verträge zur „Durchführung Integrierter Versorgung (…) mit anthroposophischer Medizin” (Anlage K 14 bzw. K 15) nebst „Anlage 4” (Anlage K 16),
  • das Schreiben „Teilnehmende Krankenkassen”, eine Übersicht des Dachverbands Anthroposophische Medizin in Deutschland zum 23. Mai 2007 (Anlage K 17),
  • das Schreiben des Berufsverbands Heileurythmie e. V. an den Kläger vom 7. Dezember 2007 (Anlage K 17a) und
  • das Schreiben der AOK C vom 10. Januar 2003 (Anlage K 18).

Der Kläger beantragt,

ersatzlos aufzuheben in dem Verfahren

  • 12 K 179/06: die Bescheide über die Umsatzsteuer für die Kalenderjahre 1999 bis 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 24. März 2006,
  • 12 K 855/09: den Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2007 und
  • 12 K 2055/09: die Bescheide über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2006 vom 8. Mai sowie vom 23. Juni 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 1. April 2009.

Der Beklagte beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidungen,

die Klage abzuwei...

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