Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug. Angaben der Anschrift des leistenden Unternehmers in der Rechnung. keine Versagung des Vorsteuerabzugs bei Umsatzsteuerbetrug des leistenden Unternehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die formellen Rechnungsanforderungen für den Vorsteuerabzug nach Art. 226 MwStSystRL, § 14 EStG sind auch dann erfüllt, wenn als Anschrift des Leistenden ein Gesellschaftssitz angegeben wird, der aus allgemein zugänglichen Quellen, wie z. B. dem Handelsregister, leicht bestimmbar ist und unter der der Leistungsempfänger den leistenden Unternehmen erreichen konnte und tatsächlich erreicht hat.

2. Ob die Umsatzsteuer tatsächlich an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Unternehmers auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung.

3. Der Vorsteuerabzug kann nicht versagt werden, wenn der Leistungsempfänger alle Maßnahmen trifft, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden kann, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind.

4.CMR-Frachtbriefe sind für die Ausübung des Rechts auf den Vorsteuerabzugs nicht erforderlich.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1; MwStSystRL Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nr. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.06.2018; Aktenzeichen V R 28/16)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2008 vom 22. Mai 2014 wird geändert; der Überschuss der abziehbaren Vorsteuerbeträge über die festgesetzte Umsatzsteuer wird mit xx.xxx,xx EUR festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren war notwendig.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit leistet. Ist durch Kostenfestsetzungsbeschluss ein Erstattungsbetrag von insgesamt mehr als 1.500 EUR festgesetzt, hat der Gläubiger in Höhe des durch Kostenfestsetzungsbeschluss insgesamt festgesetzten Erstattungsbetrags Sicherheit zu leisten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Vorsteuern aus Rechnungen eines sog. missing traders abziehen kann.

1. Die Klägerin ist eine GmbH. Sie ist Organträgerin in einer umsatzsteuerlichen Organschaft mit der …. GmbH (S-GmbH). Geschäftsführer der S-GmbH waren die Herren X., Y. und Z.. Die S-GmbH hat ihren Sitz in A, wo sie einen Schrotthandel betreibt.

2. Die S-GmbH bezog zwischen Februar und April des Streitjahres von der MJ GmbH (MJ-GmbH) insgesamt rd. xxx Tonnen Stahlschrott, verteilt auf neun Einzellieferungen. Der Schrott wurde von Lkw mit ungarischen Kennzeichen zur S-GmbH gebracht. Die MJ-GmbH war im Streitjahr eine von xxx Schrottlieferanten der S-GmbH. Die Schrottlieferungen der MJ-GmbH umfassten im Streitjahr rd. 0,3 % der Einkaufswerte bzw. der Einkaufstonnage der S-GmbH.

Nach den Angaben des verantwortlichen Einkäufers bei der S-GmbH, Herrn B., kam der Geschäftskontakt mit der MJ-GmbH durch den Anruf von deren Geschäftsführer Q. (Q.), einem ungarischen Staatsangehörigen, über eine A Festnetznummer zustande. Weitere Gespräche wurden über ein Mobiltelefon geführt. Schriftliche Kaufverträge gibt es nicht. Die Verantwortlichen der beiden Gesellschaften hatten keinen persönlichen Kontakt. Die S-GmbH fertigte für jede Schrottanlieferung u.a. auf die MJ-GmbH ausgestellte Wiegescheine.

Die S-GmbH bat den Steuerberater der MJ-GmbH mit Schreiben vom 29. Februar 2008 um Übersendung einer Bescheinigung, dass die MJ-GmbH ein umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen sei. In der Anfrage gab die S-GmbH die ihr bekannte Anschrift der MJ- GmbH in A, C-Straße 5 an. Der Steuerberater der MJ-GmbH bestätigte der S-GmbH mit Antwortschreiben vom 3. März 2008, die MJ-GmbH versteuere ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes und sei zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Die S-GmbH erteilte für die einzelnen Schrottlieferungen der GmbH Gutschriften. Darüber hinaus stellte die MJ-GmbH der S-GmbH für die Schrottlieferungen Rechnungen mit Ausweis der Umsatzsteuer aus. Die Rechnungen sind von Q. unterschrieben. Sie wurden der Klägerin per Fax von einer A Faxnummer mit dem Absender „M GmbH” übermittelt. Als Anschrift der MJ-GmbH ist A, C-Straße 5 angegeben. Die MJ-GmbH nennt überdies die ihr vom Finanzamt A für Körperschaften erteilte Steuernummer.

Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden Rechnungen und Gutschriften:

Datum

Lieferung

Datum

Rechnung

Datum

Gutschrift

Entgelt

netto

Vorsteuer

20.02.2008

22.02.2008

26.02.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

22.02.2008

22.02.2008

26.02.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

25.02.2008

04.03.2008

29.02.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

26.02.2008

04.03.2008

29.02.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

27.02.2008

04.03.2008

29.02.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

27.02.2008

04.03.2008

29.02.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

06.03.2008

17.03.2008

11.03.2008

xx.xxx,xx EUR

x.xxx,xx EUR

11....

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