rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung (Haftung für Lohnsteuerschulden). Keine Geschäftsführerhaftung nach § 69 AO 1977 bei Anfechtbarkeit einer pflichtgemäßen Lohnsteuerentrichtung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Haftungsinanspruchnahme eines GmbH-Geschäftsführers für nicht abgeführte Lohnsteuer, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH fällig geworden ist, erscheint wegen fehlender Kausalität der Pflichtverletzung mit dem Steuerausfall ernstlich zweifelhaft, wenn der Insolvenzverwalter die fristgerechte Zahlung der angemeldeten Lohnsteuer gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO hätte anfechten können, weil die GmbH bereits zahlungsunfähig war und dies dem FA bekannt war.

 

Normenkette

AO 1977 § 69; InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 2; AO 1977 § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 191 Abs. 1; EStG § 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

1. Die Vollziehung des Haftungsbescheids wegen Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlägen – zuletzt – vom 24. April 2003 wird bis einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache in Höhe von 20.827,42 Euro ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Beschwerde wird zugelassen.

3. Von den Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller 81 vom Hundert, der Antragsgegner 19 vom Hundert zu tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids – zuletzt – vom 24. April 2003 – für Lohn- und Kirchenlohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag aus den Lohnsteueranmeldungen 09/98, 02/99 bis 08/99 und 01/00 nebst Säumniszuschlägen der W. M. GmbH & Co. KG (im Folgenden M-KG).

I.

Der Antragsteller ist im streitigen Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der M. Verwaltungs-GmbH (im Folgenden M-GmbH) gewesen. Die M-GmbH war einzige Komplementärin und Geschäftsführerin der M-KG. Die M-KG hat die angemeldete Lohnsteuer Januar 1999 bis August 1999 nicht mehr an den Antragsgegner abgeführt. Auch war ein Teil des Solidaritätszuschlags zur Lohnsteuer September 1998 noch nicht getilgt. Ab September 1999 bzw. Oktober 1999 hat die M-KG ihre laufenden Steuerverbindlichkeiten bis einschließlich Lohnsteuer Dezember 1999, die am 27. Januar 2000 gezahlt wurde, in unregelmäßigen Raten beglichen. Gleichwohl beliefen sich die fälligen Steuerschulden (Lohnsteuer- und Kirchenlohnsteuerschulden sowie Rückstände bei den zugehörigen Solidaritäts- und Säumniszuschlägen) der M-KG zum 31. Dezember 1999 auf 1.011.748 DM. Die Gesamtverbindlichkeiten der M-KG zum 31. Dezember 1999 betrugen 15.446.291 DM. In der Gewinn und Verlustrechnung für das Jahr 1999 war ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 1.414.174,56 DM ausgewiesen. Die angemeldete Lohnsteuer Januar 2000 wurde wiederum nicht abgeführt, obgleich die M-KG vom 1. Januar 2000 bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 25. Februar 2000 noch Zahlungen in Höhe von insgesamt 768.643 DM geleistet hat (Anlage K 7 im Verfahren 1 K 235/03).

Vollstreckungsmaßnahmen hat der Antragsgegner keine durchgeführt. Zwischen der M-KG und dem Antragsgegner ist – ausweislich der vorgelegten Vollstreckungsakte – vielmehr ein Stillhalteabkommen getroffen worden, nachdem der Antragsteller im September 1999 mit der Kreissparkasse C. in Verhandlungen über einen weiteren Kredit zur Fortführung der M-KG getreten ist und dem Antragsgegner die Zahlung einer größeren Summe hieraus in Aussicht gestellt wurde. Seither hat die M-KG den Antragsgegner über ihre wirtschaftliche Situation informiert. Der Antragsteller hat das Finanzamt über die Verhandlungen mit der Sparkasse in Kenntnis gesetzt (Blatt 55ff. der Vollstreckungsakte). Dem Antragsgegner war auch bekannt, dass die M-KG zumindest seit dem 22. November 1999 ihre Lieferanten nicht mehr pünktlich bezahlen konnte (Blatt 67, 86, 88 der Vollstreckungsakte). Mit Schreiben vom 8. November 1999 hat der Antragsgegner der M-KG mitgeteilt, dass geprüft werde, ob ein Insolvenzantrag zu stellen sei (Blatt 66 der Vollstreckungsakte). Mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 ist der Antragsteller vom Antragsgegner auf eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner hingewiesen worden (Blatt 8 der Haftungsakte). Schließlich wurde über das Vermögen der M-KG am 1. April 2000 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Im Insolvenzverfahren konnte der Antragsgegner keine Befriedigung erlangen. Mittlerweile ist Masseunzulänglichkeit erklärt. Daher nahm der Antragsgegner den Antragsteller mit Haftungsbescheid – zunächst vom 3. März 2003 – für die noch offenen Lohnsteuer-, Kirchenlohnsteuer- und Solidaritätszuschlagsbeträge sowie die bis zum 24. Februar 2000 verwirkten Säumniszuschläge als Haftungsschuldner nach § 69 AO i.V.m. § 34 AO in Anspruch. Die Haftungssumme belief sich dabei auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 253.111,49 DM, wobei wegen der Einzelheiten auf die dem Haftungsbescheid beigefügte Anlage (Blatt 21 der Haftungsakte) verwiesen wird.

Gegen diesen Bescheid l...

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