Zulässige Rechtsbehelfe (Einspruch, Klage) gegen Steuerbescheide verlängern gem. § 171 Abs. 3a AO die Festsetzungsfrist bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über sie. Das Gleiche gilt gem. § 171 Abs. 3 AO für Anträge auf Steuerfestsetzung und für Anträge auf Aufhebung, Änderung oder Berichtigung von Steuerbescheiden. Die Regelungen sollen verhindern, dass sich vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegte Rechtsbehelfe bzw. Festsetzungs- und Korrekturanträge durch Untätigkeit des Finanzamts einfach erledigen.

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei Einspruch

Die Festsetzungsfrist für eine Einkommensteuer endet mit Ablauf des Jahres 00. Am 12.11.00 ergeht ein Erst- oder Änderungsbescheid. Hiergegen wird Einspruch eingelegt, über den erst im Jahre 01 zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden wird. Dies ist möglich. Das Gleiche gilt, wenn der Erst- oder Änderungsbescheid im Dezember 00 ergeht und Einspruch (rechtzeitig) im Januar 01 eingelegt wird.[1] Wird der Einspruch zurückgewiesen und daraufhin Klage erhoben, bleibt der Ablauf der Festsetzungsfrist weiterhin gehemmt, bis über die Klage rechtskräftig entschieden ist.

 
Praxis-Beispiel

Keine Ablaufhemmung bei Anfechtung eines unwirksamen Bescheids

Sachverhalt wie im vorherigen Beispiel.

Während des Einspruchsverfahrens stellt sich im Jahr 01 heraus, dass der Bescheid vom 12.11.00 unwirksam ist. Die Anfechtung eines unwirksamen (nichtigen) Bescheids hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht.[2] Es bleibt somit im Ergebnis bei der Nicht- oder Erstfestsetzung der Einkommensteuer.

Der Ablaufhemmungsvorschrift des § 171 Abs. 3 AO kommt bei Anträgen des Steuerpflichtigen auf Korrektur eines Steuerbescheids nach den §§ 129, 164, 165 und 172 ff. AO große Bedeutung zu.[3]

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei Antrag auf Änderung eines Vorbehaltsbescheids

Das Finanzamt erlässt gegenüber S für das Jahr 01 am 1.8.02 einen gem. § 164 Abs. 1 AO unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden ESt-Bescheid. Die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des Jahres 06. S reicht im Dezember 06 Belege über bisher noch nicht geltend gemachte Werbungskosten ein und beantragt gem. § 164 Abs. 2 AO die Änderung seines Bescheids. Der Antrag löst insoweit die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO aus. Sie endet erst mit der Unanfechtbarkeit des ausstehenden Änderungsbescheids, egal zu welchem Zeitpunkt das Finanzamt diesen erlässt.

Ein Antrag i. S. d. § 171 Abs. 3 AO liegt auch in den Fällen vor, in denen das Finanzamt wegen der ausbleibenden Steuererklärung einen Vorbehaltsbescheid im Wege der Schätzung nach § 162 AO erlassen hat und anschließend vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Steuererklärung im Rahmen eines Änderungsantrags nach § 164 Abs. 2 AO eingereicht wird. Dies folgt daraus, dass der Steuererklärung in diesen Fällen ein doppelter Charakter zukommt, da sie neben der Erfüllung der gesetzlichen Erklärungspflicht auch der Begründung des Änderungsantrags dient.[4] Anders hingegen ist die Rechtslage bei Abgabe einer Pflichterklärung, wenn noch kein Steuerbescheid ergangen ist (s. u.).

Die Ablaufhemmungsvorschrift des § 171 Abs. 3 AO wirkt sich in der Praxis insbesondere auch bei einer Antragsveranlagung[5] aus. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf deren Korrektur stellt.[6]

Dementsprechend kann die Veranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG bis zum Ablauf des letzten Tags der Festsetzungsfrist, also bis 24:00 Uhr, beantragt werden. "Gestellt" ist der Antrag nach § 171 Abs. 3 AO erst, wenn er beim örtlich zuständigen Finanzamt eingeht. Dies ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelt, wird aber in der Rechtsprechung des BFH so ausgelegt.[7]

 
Praxis-Beispiel

Ablaufhemmung bei der Antragsveranlagung

S stellt den Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG für das Jahr 00 im Dezember 04, indem er entsprechend dessen Satz 2 die Einkommensteuererklärung einreicht. Solange nicht der Bescheid ergeht und unanfechtbar, d. h. formell bestandskräftig wird, kann die Festsetzungsfrist nicht ablaufen. S muss also nur darauf achten, dass die Steuererklärung unterschrieben ist, die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Steuererklärung erfüllt und rechtzeitig (auch per Fax[8] zulässig[9]) vor Ablauf des 31.12.04, 24:00 Uhr (ggf. unter Berücksichtigung des § 108 Abs. 3 AO), bei seinem Finanzamt eingeht. Geht hierbei – mit oder ohne sein Verschulden – etwas schief, greift § 171 Abs. 3 AO nicht. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht.[10]

Bei Nutzung des Authentifizierungsverfahrens ist die Frist mit Zugang der elektronischen Erklärung gewahrt. Dieser erfolgt unmittelbar nach der Versendung. Der Absender erhält eine Nachricht über die erfolgreiche Übermittlung samt Datum und Uhrzeit.

Bei Verwendung eines Computerprogramms (z. B. "Elster Formular") zur Erstellung der Erklärung ist die Frist nicht bereits mit Eingang der elektronisch übermittelten Daten, sondern erst mit Abgabe der komprimierten Papiererklärung gewahrt.[11] Seit Veranl...

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