Leitsatz

Die Grundsteuerfestsetzung vollzieht sich in drei Stufen. Auf der ersten Stufe stellt das Finanzamt den Einheitswert und auf der zweiten Stufe den Steuermessbetrag fest. Auf der dritten Stufe schließlich setzen die Gemeinden - bzw. in Berlin die Finanzämter - die Grundsteuer fest.

 

Sachverhalt

Die Klägerin errichtete auf einem ihr gehörenden Grundstück im Jahr 1996 ein Geschäftshaus. Nachdem das Finanzamt den auf den 1.1.1997 im Wege der Art- und Wertfortschreibung erlassenen Einheitswertbescheid sowie den Grundsteuermessbescheid im Juni 2009 wegen Eintritts der Feststellungsverjährung (zunächst) aufgehoben hatte, erließ es im Juli 2009 erneut solche - wertmäßig identische - Bescheide. In den Erläuterungen des Einheitswerbescheids wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist und dass er deshalb nach § 181 Abs. 5 AO nur solchen Steuerfestsetzungen zugrunde gelegt werden kann, deren Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen war.

Die Klägerin stellte im Juni 2009 den Antrag, die auf dem aufgehobenen Einheitswert- bzw. Grundsteuermessbescheid beruhenden Grundsteuerbescheide für 1997 ff. ebenfalls aufzuheben und die rechtsgrundlos gezahlte Grundsteuer nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil unmittelbar nach der auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO basierenden Bescheidaufhebung erneut inhaltsgleiche Grundsteuerbescheide hätten erlassen werden müssen.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht entscheidet, dass die Grundsteuerbescheide nicht aufzuheben sind.

Bei der dreistufigen Grundsteuerfestsetzung ist der Erlass des Einheitswertbescheids auf der ersten Stufe nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO auch zulässig, wenn die Festsetzung der Grundsteuer auf der dritten Stufe noch möglich ist. Der Umstand, dass der Grundsteuermessbescheid (zweite Stufe) vorliegend keinen Hinweis i. S. d. § 181 Abs. 5 AO enthielt, hat keinen Einfluss auf die Rechtsmäßigkeit des Grundsteuermessbescheids.

Der Erlass des Folgebescheids (Grundsteuerbescheids) zur Anpassung an die Grundlagenbescheide, von denen der Einheitswertbescheid den erforderlichen Hinweis enthält, ist allerdings nur unter der weiteren Voraussetzung zulässig, dass die Festsetzungsfrist aus anderen als den in § 171 Abs. 10 AO genannten Gründen noch nicht abgelaufen ist.

Im Streitfall war die Festsetzungsfrist für die Grundsteuer wegen der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO, nach der die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch nicht endet, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO nicht verjährt ist, noch nicht abgelaufen. Für die Anwendung der Vorschrift reicht es aus, dass ein Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen bei verfahrensrechtlicher Vorgehensweise des Finanzamts entstehen würde; eine formalistische Auslegung der Norm dahingehend, dass stets eine Abfolge von entstandenem Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen durch Bescheidaufhebung und sodann erst gegebener Berechtigung des Finanzamts, nunmehr einen wirksamen neuen Bescheid zu erlassen, durch den der Erstattungsanspruch zum Erlöschen gebracht werde, sei nicht geboten.

 

Hinweis

Die Klägerin hat die vom Finanzgericht zugelassene Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt (Az beim BFH II R 3/18). Der Bundesfinanzhof wird zu entscheiden haben, ob § 171 Abs. 14 AO insoweit teleologisch zu reduzieren ist, als er die Ablaufhemmung nur bei Erstattungsansprüchen bewirkt, die auf § 37 Abs. 1 Satz 1 AO (Bekanntgabefehler, der zur Unwirksamkeit des Bescheids führt), nicht aber bei solchen, die auf § 37 Abs. 2 Satz 2 AO beruhen (zunächst wirksamer und später aufgehobener Steuerbescheid).

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2017, 3 K 3052/15

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