Einführung

In der Bilanz der Unternehmen spielt das Umlaufvermögen eine bedeutende Rolle. Einen großen Anteil daran haben Materialbestände in Form von Rohmaterialien, Kaufteilen oder auch Fertigprodukten. Diese binden liquide Mittel, die für andere Zwecke im Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Unternehmensleitung fordert ein niedriges Umlaufvermögen mit einer geringen Kapitalbindung, aber gleichzeitig eine hohe Lieferbereitschaft von bspw. 99 % des Sortiments. Die Versorgung der Produktion und der Kunden hat höchste Priorität. Teileengpässe und Produktionsstillstand durch fehlendes Material ziehen Umsatzverluste, teure Nacharbeiten, aufwändige Zusatzlieferungen und Vertragsstrafen nach sich. Diese Kosten fasst man in den Fehlmengenkosten zusammen.

Der Schlüsselbereich im Unternehmen, dem bei der täglichen Lösung dieses Zielkonflikts eine hohe Bedeutung zukommt, ist die Materialdisposition. Ein wichtiges Instrument der Materialdisposition ist hierbei eine optimale und professionelle Bedarfsermittlung. Der Beitrag zeigt die Voraussetzungen, Arten und Profiwerkzeuge, um eine optimale Materialdisposition und Bedarfsermittlung durchzuführen. Für Optimierungsmaßnahmen und Minimierung der negativen Effekte sind Kostenrechnung und Controlling gefragt.

1 Immer Ärger mit Beständen

In der Automobilindustrie gilt der Grundsatz, dass 1 % Einsparung an den Materialkosten gleichbedeutend ist mit einer Umsatzsteigerung von 10 bis 20 %. Als Folge daraus sind die Ziele der Konzerne, die Materialkosten um Milliardenbeträge zu reduzieren. Damit einhergehend werden ebenfalls das Umlaufvermögen, die Lagerhaltungskosten und damit die Kapitalbindungskosten gesenkt. Als Ergebnis erhöhen sich damit die Rentabilität und die Wettbewerbsfähigkeit. Die Vorteile und Nachteile von Beständen zeigt Tab. 1.

 
Bestände ermöglichen Bestände verdecken
Reibungslose Produktion Störanfällige, unabgestimmte
Kapazitäten
Hohe Lieferbereitschaft Mangelnde Lieferflexibilität
Überbrückung von Störungen Hoher Ausschuss, Schwund, Verderb von Waren
Wirtschaftliche Fertigung Mangelnde Liefertreue
Konstante Auslastung Hohe Kapitalbindung
Vermeidung von Fehlmengenkosten Schlechte Prognosen
Hoher Servicegrad Mangelnde innerbetriebliche
Kommunikation

Tab. 1: Vorteile und Nachteile von Beständen

Je niedriger die Bestände sind, desto mehr werden Fehlerquellen aufgedeckt und damit Schwachstellen behoben. Das Umlaufvermögen im Unternehmen kann je nach Branche 40–60 % des Umsatzes betragen. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit, den Materialbestand ständig zu optimieren.

Die Ermittlung des Materialbedarfs bildet die Basis aller Aktivitäten im Rahmen der Materialwirtschaft. Der Bedarf ist die Menge von Materialien bzw. Erzeugnissen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums vom Unternehmen verbraucht oder vom Kunden bestellt wird. Der Bedarf besteht aus festen Kundenaufträgen oder aus dem wahrscheinlichen Absatz von Materialien und Erzeugnissen.

2 Optimale Ermittlung von Brutto- und Nettobedarf im Unternehmen

Die Materialien und Güter, welche disponiert und beschafft werden, können sehr unterschiedlich sein. Tab. 2 zeigt im Überblick häufig vorkommende Materialien und Betriebsmittel.

 
Materialien und Betriebsmittel Funktion

Rohstoffe

(Erzeugnisstoffe)
… sind unmittelbarer Hauptbestandteil des zu fertigenden Erzeugnisses (z. B. Aluminium, Kupfer, Kunststoffgranulat).
Hilfsstoffe … gehen lediglich als Hilfsfunktion in das Endprodukt ein (z. B. Leim, Schrauben).
Betriebsstoffe … werden im Produktionsprozess verbraucht, bilden also keinen Bestandteil des Fertigerzeugnisses (z. B. Energie, Wasser, Öl).
Zulieferteile … werden von Lieferanten bezogen.
Ersatzteile … werden eigens erstellt. Sie können auch Endprodukt sein (z. B. Auspuff, Motor, Schraube).
Handelswaren … werden dem Endprodukt unverarbeitet bereitgestellt. Sie können das Verkaufsprogramm ergänzen (z. B. Radios, Feuerlöscher bei Pkw-Fertigung)

Fertigerzeugnisse

(Enderzeugnisse)
… sind vom Unternehmen hergestellte Endprodukte (z. B. Pkw, Fernseher, Kleidung, Waschmaschinen).
Halbzeuge … sind vorgeformte Rohstoffe (z. B. Bleche, Kunststoffe, Baustähle, T-Träger).

Tab. 2: Materialien und Betriebsmittel

Ungefähr 80 % aller produzierten Waren sind Lageraufträge, d. h., sie basieren auf wahrscheinlichem Absatz und nicht auf festen Kundenaufträgen. Die Materialbedarfsarten können nach Ursprung und Erzeugnisebene in Primärbedarf, Sekundärbedarf und Tertiärbedarf unterteilt (vgl. Tab. 3) und unter Berücksichtigung des Zusatzbedarfs und der Lagerbestände in Brutto- und Nettobedarf eingeteilt werden.

 
Primärbedarf

Erzeugnisse, Gruppenteile, Ersatzteile und Waren

Ergibt sich aus Absatzplan, Produktionsplan Kundenaufträgen

Beispiele: Pkw, Waschmaschine, Kleidung
Sekundärbedarf

Werkstoffe, Rohstoffe, Einzelteile und Baugruppen

Notwendig zur Fertigung des Primärbedarfs

Beispiele: Aluminium, Granulat, Bleche, Holz
Tertiärbedarf

Hilfs- und Betriebsstoffe und Verschleißwerkzeuge

Beispiele: Öle, Schmierstoffe, Energie

Tab. 3: Materialbedarfsarten

2.1 Errechnung von Bruttobedarf und Nettobedarf

Der Sekundärbedarf wird aus der Multiplikation des Primärbedarfs mit den Erzeugnisb...

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