Leitsatz

Die Fahrten zur praktischen Ausbildung im Rahmen eines dualen BA-Studiums können als Tätigkeitsmittelpunkt und damit als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen werden.

 

Sachverhalt

In einem aktuellen Fall vor dem Sächsischen FG war streitig, ob der Praxispartner einer Berufsakademie die regelmäßige Arbeitsstätte des Studenten im sog. dualen Studiengang ist. Der Ausbildungsvertrag der dreijährigen dualen Ausbildung sah für die praktischen Studienabschnitte eine wöchentliche berufspraktische Studienzeit von 40 Stunden vor sowie eine monatliche Vergütung von 250 EUR. Im Streitjahr fuhr der Student an 112 Tagen von seinem Wohnort zur 62 Kilometer entfernten Berufsakademie. Davon war er an 58 Tagen wegen des stattfindenden Unterrichts jeweils mindestens 8 Stunden von seiner Wohnung abwesend. Ferner suchte der Student im Streitjahr an 92 Tagen den von seiner Wohnung 54 Kilometer entfernten Betrieb des Praxispartners der Hochschule auf.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Student u. a. Werbungskosten i. H. v. 4.464 EUR (Fahrtkosten) sowie Verpflegungsmehraufwand von 720 EUR geltend.

Das Finanzamt berücksichtigte die als Fortbildungskosten geltend gemachten Aufwendungen als Ausbildungskosten und berücksichtigte sie i. H. v. 4.000 EUR als Sonderausgaben. Einen Verlustvortrag lehnte es ab.

 

Entscheidung

Die Ausbildung des Studenten zum Diplom-Informatiker (Berufsakademie) war eine Erstausbildung. Ist die Erstausbildung Teil eines Ausbildungsdienstverhältnisses, findet § 9 Abs. 6 EStG keine Anwendung und als Werbungskosten sind die Reisekosten für Fahrten zwischen Wohnung und Berufsakademie, Verpflegungsmehraufwendungen in der theoretischen Ausbildung und die Aufwendungen für Fahrten zur praktischen Ausbildung im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG mit der Entfernungspauschale bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen.

Der Ausbildungsbetrieb, bei dem die praktische Ausbildung stattfindet, ist als Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit i.S. des §§ 9 Abs. 5 i. V. m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG und als regelmäßige Arbeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen, sodass diesbezüglich ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen und Reisekosten ausscheidet.

 

Hinweis

Dieses Ergebnis widerspricht nach Ansicht der Richter nicht der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 16.1.2013, VI R 14/12, BStBl 2013 II S. 449 ff.), wonach bei beruflichen Bildungsmaßnahmen die Begrenzung der Steuererheblichkeit von Wegekosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG grundsätzlich nicht zu beachten sei (zweifelnd: FG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 19.6.2012, 1 V 30/12, EFG 2013 S. 55). Der BFH geht davon aus, dass eine Bildungsmaßnahme regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegt sei und der Steuerpflichtige typischerweise nicht die Möglichkeit hat, sich auf die immer gleichen Wege einzustellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinzuwirken. Allerdings ist die Reichweite dieser Rechtsprechung ausdrücklich auf andere als herkömmliche Ausbildungsverhältnisse beschränkt. Bei der Ausbildung des Studenten handelte es sich aber um eine duale Ausbildung, die zu den herkömmlichen Ausbildungsverhältnissen zählt. Der Student war insbesondere - anders als der Kläger im BFH-Fall - nicht als eine Art Praktikant, sondern als ein in einem mehrjährigen Ausbildungsverhältnis gebundener Auszubildender tätig geworden.

 

Link zur Entscheidung

Sächsisches FG, Urteil vom 11.09.2013, 8 K 23/10

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