Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Handelt es sich um eine Lieferung i.S.v. Art. 5 der 6. EG-RL, wenn zum sofortigen Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden?

2. Kommt es für die Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente erbracht werden (Nutzungsüberlassung von Tischen, Stühlen, sonstigen Verzehrvorrichtungen, Präsentation eines Kinoerlebnisses)?

3. Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Ist der Begriff "Nahrungsmittel" im Anhang H Kategorie 1 der 6. EG-RL dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die – durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise – zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind?

 

Normenkette

§ 12 Abs. 2 Nr. 1, § 3 UStG Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der 6. EG-RL, Art. 129 Abs. 1 Anhang H MwStSystRL

 

Sachverhalt

Streitig ist die Frage, ob Umsätze aus dem Verkauf von frisch zubereitetem Popcorn und warmen Nachos/Tortillachips mit verschiedenen Saucen in einem Kino als sonstige Leistung mit dem Regelsteuersatz oder als Lieferung ermäßigt nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu besteuern sind. In den Foyers der Kinos befanden sich u.a. Barhocker, Stehboards, Tische und Stühle.

 

Entscheidung

Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die im Leitsatz genannten Fragen vor. Bis zur Entscheidung der Fragen liegen jedenfalls für Sachverhalte wie z.B. Imbissstände und Partyservice die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung vor.

 

Hinweis

1. Die Abgrenzung zwischen einer ermäßigt zu besteuernden Lebensmittellieferung und einer (Restaurations-)Dienstleistung ist immer wieder wegen der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte und der sich stetig verändernden Essgewohnheiten umstritten. Die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen "Herrmann" und "Faaborg-Gelting Linien" haben neuen Zündstoff und dem Versuch des Gesetzgebers, durch die Konkretisierung als "Verzehr an Ort und Stelle" (vgl. § 3 Abs. 9 S. 5 UStG a.F.) Klarheit zu schaffen, endgültig den Garaus gebracht. Nach der Rechtsprechung ist danach zu unterscheiden, ob es sich um Restaurationsleitungen oder um die Lieferung von Lebensmitteln zum Mitnehmen handelt. Restaurationsumsätze sind danach durch "eine Reihe von Dienstleistungen und Vorgängen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen" gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Insoweit hat der EuGH – allerdings sachverhaltsbezogen – Merkmale aufgezählt, die von der Zubereitung der Speisen bis zur Beratung bei der Auswahl und schließlich zur Garderobe und Toilette reichen. "Nahrungsmittel zum Mitnehmen" (Lieferung) liegen nach EuGH dagegen vor, wenn neben der Lieferung der Nahrungsmittel "keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen". Der V. und im Anschluss daran der XI. Senat sind von einer qualitativen Betrachtung ausgegangen und haben der Zubereitung von Nahrungsmitteln zu einer Speise oder Mahlzeit (die mehr oder weniger komplex sein kann) ein großes Gewicht beigemessen, das jedenfalls zusammen mit einem weiteren Dienstleistungselement den Umsatz als Dienstleistung qualifiziert.

2. Die Änderung der RL, wonach ein ermäßigter Steuersatz nicht nur für die Lieferung von Nahrungs- und Futtermitteln, sondern auch für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen zulässig ist, lässt Zweifel aufkommen, ob nicht bereits die Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr den Umsatz wesentlich prägt und es deshalb unerheblich ist, ob noch weitere Dienstleistungen hinzukommen. Denn der Begriff "Verpflegungsdienstleistungen" ist in dieser RL nicht definiert. Es könnten möglicherweise damit Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von Restaurants abgegeben werden. Dies spräche dafür, dass die Qualifizierung als Dienstleistung nicht – wie der BFH angenommen hat – davon abhinge, dass erst bei Vorliegen weiterer Dienstleistungselemente der Umsatz als Dienstleistung zu qualifizieren ist.

3. Wäre die Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten nur als Dienstleistung zu beurteilen, wenn zusätzlich zur Zubereitung zum sofortigen Verzehr noch weitere Dienstleistungen hinzukommen, ist – weil die sachverhaltsbezogenen Beispiele für relevante Dienstleistungselemente schon wegen der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte hinsichtlich der Speisen wie der Abgabemodalitäten keine befriedende Wirkung erzeugt haben – eine Konkretisierung des EuGH umso dringlicher, als Deutschland nun von der Möglichkeit der Steuerermäßigung von Restaurantdienstleistungen keinen Gebrauch gemacht hat und stattdessen Hotelleistungen ermäßigt besteuert mit vorhersehbaren Verwerfungen. Nicht zuletzt im Interesse des Verbrauchers zu hoffen wäre, dass der EuGH die Grenze sehr ...

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