Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist ein Steuerpflichtiger bereits dann ein "im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger" i.S.d. Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat, oder muss als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass er seinen privaten Wohnsitz nicht im Inland hat?

 

Normenkette

§ 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 4 UStG, Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. e 6. Gedankenstrich, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a und b der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige hatte seinen Unternehmenssitz in Österreich. Das österreichische FA erteilte ihm eine USt-Identifkationsnummer. Der Steuerpflichtige überließ Arbeitnehmer an Unternehmen in Bayern für Fahrtätigkeiten in ganz Deutschland. Er rechnete seine Leistungen ohne Ausweis von USt mit dem Hinweis ab "Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG beim Leistungsempfänger".

Das deutsche FA war der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Verlagerung der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger gem. § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG lägen nicht vor. Da der Steuerpflichtige seinen privaten Wohnsitz im Streitjahr 2002 in Deutschland gehabt habe, sei er kein "im Ausland ansässiger Unternehmer" i.S.d. § 13b Abs. 4 S. 1 UStG.

Das FG München gab der Klage statt: Es war der Ansicht, § 13b Abs. 4 S. 1 UStG sei unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass es für die Ansässigkeit im Ausland allein auf den Unternehmenssitz ankomme (Urteil vom 13.09.2007, 14 K 3679/05, Haufe-Index 1950213, EFG 2008, 729).

 

Entscheidung

Der BFH hat es für zweifelhaft gehalten, ob die in § 13b Abs. 4 S. 1 UStG getroffene Regelung mit dem Unionsrecht übereinstimmt und hat deshalb gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV dem EuGH die aus dem Leitsatz ersichtliche Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

 

Hinweis

1. Nach § 13b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStGverlagert sich die Steuerschuld für "Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers" auf den Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.

Gem. § 13b Abs. 4 S. 1 UStG ist ein im Ausland ansässiger Unternehmer ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat.

Das bedeutet: Auch wenn sich der Unternehmenssitz im Ausland befindet, handelt es sich dann nicht um einen im Ausland ansässigen Unternehmer, wenn er seinen privaten Wohnsitz im Inland hat.

§ 13b UStG beruht auf Art. 21 der 6. EG-RL. Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. b 1. Alternative der 6. EG-RL schuldet die Mehrwertsteuer der steuerpflichtige Empfänger einer in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. EG-RL genannten Dienstleistung, wenn "die Dienstleistung von einem im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird".

Der Begriff des "im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen" wird in Art. 21 der 6. EG-RL nicht definiert.

Nach Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL gilt als Ort einer Dienstleistung der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.

Danach ist dann, wenn ein Unternehmenssitz vorhanden ist, der Ort des privaten Wohnsitzes unerheblich.

Da Art. 21 der 6. RL-EG auf Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der 6. RL-EG Bezug nimmt, erscheint es zwar nicht zwingend, aber doch naheliegend, bei der Auslegung des Begriffs des "im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen" die in Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-RL getroffene Regelung heranzuziehen.

Danach käme es für den Begriff der "Ansässigkeit" auf den privaten Wohnsitz eines Unternehmers nicht an, wenn sich der Unternehmenssitz im Ausland befindet.

Dies hätte den Vorteil, dass der Vertragspartner eines Unternehmers, dessen Unternehmenssitz sich im Ausland befindet, nicht der Frage nachgehen muss, ob dieser Unternehmer zufälligerweise (auch) einen privaten Wohnsitz im Inland hat.

2. Mangels einer ausdrücklichen Regelung in Art. 21 der 6. EG-RL ist jedoch nicht zweifelsfrei, wie der Begriff des im "Ausland ansässigen Unternehmers" unionsrechtlich zu definieren ist, wenn sich der Unternehmenssitz und der private Wohnsitz des Unternehmers in unterschiedlichen Ländern befinden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 30.06.2010 – XI R 5/08

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