Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Erwerb eines Grundstücks mit Altgebäude zum Abriss und Neuerrichtung eines Gebäudes, Berichtigung des Vorsteuerabzugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 167 und 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens eine Gesellschaft, die ein bebautes Grundstück erworben hat, um die Gebäude abzureißen und auf dem Grundstück eine Wohnanlage zu errichten, zum Abzug der den Erwerb dieser Gebäude betreffenden Vorsteuer berechtigt ist.

2. Art. 185 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der Abriss von Gebäuden, die zusammen mit dem Grundstück, auf dem sie stehen, erworben wurden, der im Hinblick auf die Errichtung einer Wohnanlage anstelle dieser Gebäude erfolgt, nicht zu einer Verpflichtung zur Berichtigung des ursprünglich für den Erwerb dieser Gebäude vorgenommenen Vorsteuerabzugs führt.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 167-168, 185

 

Beteiligte

Gran Via Moinesti

SC Gran Via Moinesti srl

Agentia Nationala de Administrare Fiscala (ANAF), Administratia Finantelor Publice Sector 1

 

Verfahrensgang

Curte de Apel Bukarest (Rumänien) (Urteil vom 30.12.2010; ABl. EU 2011, Nr. C 238/4)

 

Tatbestand

Richtlinie 2006/112/EG ‐ Mehrwertsteuer ‐ Art. 167, 168 und 185 ‐ Recht auf Vorsteuerabzug ‐ Berichtigung der Vorsteuerabzüge ‐ Erwerb eines bebauten Grundstücks im Hinblick auf den Abriss der Gebäude zur Verwirklichung eines Bauvorhabens auf diesem Grundstück“

In der Rechtssache C-257/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Bucureşti (Rumänien) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Mai 2011, in dem Verfahren

SC Gran Via Moineşti SRL

gegen

Agenţia Naţională de Administrare Fiscală (ANAF),

Administraţia Finanţelor Publice Bucureşti Sector 1

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der SC Gran Via Moineşti SRL, vertreten durch A. Lefter, V. Rădoi und M. Mitroi, avocaţi,

‐ der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu, R.-I. Munteanu und I. Bara als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und L. Bouyon als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 167, 168 und 185 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Gran Via Moineşti SRL (im Folgenden: GVM) und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală (ANAF) (Staatliche Steuerverwaltungsagentur, im Folgenden: ANAF) einerseits und der Administraţia Finanţelor Publice Bucureşti Sector 1 (Verwaltung der öffentlichen Finanzen des Sektors 1 von Bukarest, im Folgenden: AFP) andererseits über die Mehrwertsteuer, die GVM für den im Hinblick auf die Verwirklichung eines Bauvorhabens getätigten Erwerb eines bebauten Grundstücks zu entrichten hatte.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

Rz. 4

Art. 167 dieser Richtlinie sieht Folgendes vor:

„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.“

Rz. 5

In Art. 168 der genannten Richtlinie heißt es:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

…“

Rz. 6

Art. 184 derselben Richtlinie bestimmt:

„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist a...

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