Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerschuldnerschaft, Lieferung eines Gebäudes im Zwangsvollstreckungsverfahren, Gerichtsvollzieher, Steuerschuldnerschaft des Gerichtsvollziehers im Zwangsvollstreckungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 9, 193 und 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer Vorschrift des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, die im Rahmen des Verkaufs eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung einem Rechtssubjekt, und zwar dem Gerichtsvollzieher, der diesen Verkauf durchgeführt hat, die Verpflichtung auferlegt, die auf den Erlös aus diesem Umsatz geschuldete Mehrwertsteuer fristgemäß zu ermitteln, zu erheben und zu zahlen.

2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, wonach ein Gerichtsvollzieher für den Betrag der Mehrwertsteuerschuld auf den Erlös aus dem Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsvollstreckung in dem Fall, dass er seine Verpflichtung zur Erhebung und Entrichtung dieser Steuer nicht erfüllt, mit seinem gesamten Vermögen haftet, vorausgesetzt, der Gerichtsvollzieher verfügt tatsächlich über die rechtlichen Mittel, um diese Verpflichtung zu erfüllen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

3. Die Art. 206, 250 und 252 der Richtlinie 2006/112 sowie der Grundsatz der Steuerneutralität sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung des nationalen Rechts wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, wonach der von dieser Vorschrift bestimmte Zahlungsbeauftragte verpflichtet ist, den Betrag der Mehrwertsteuer, der für den im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten Verkauf von Waren geschuldet wird, zu ermitteln, zu erheben und zu entrichten, ohne die seit Beginn des Steuerzeitraums bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Steuer beim Steuerpflichtigen entrichtete Vorsteuer abziehen zu können.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 9, 193, 199 Abs. 1 Buchst. g, Art. 206, 250, 252

 

Beteiligte

Macikowski

Marian Macikowski

Dyrektor Izby Skarbowej w Gdansku

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 21.02.2013; ABl. EU 2013, Nr. C 367/22)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität ‐ Besteuerung der Lieferung von Grundstücken im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ‐ Nationale Regelung, wonach der die Zwangsversteigerung durchführende Gerichtsvollzieher verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer auf einen solchen Umsatz zu ermitteln und zu entrichten ‐ Zahlung des Kaufpreises an das zuständige Gericht und Pflicht dieses Gerichts, den Betrag der zu zahlenden Mehrwertsteuer an den Gerichtsvollzieher zu überweisen ‐ Schadensersatzpflicht und strafrechtliche Haftung des Gerichtsvollziehers in dem Fall, dass die Mehrwertsteuer nicht gezahlt wird ‐ Unterschied zwischen der ordentlichen Frist für die Zahlung der Mehrwertsteuer durch einen Steuerpflichtigen und der einem solchen Gerichtsvollzieher auferlegten Frist ‐ Unmöglichkeit des Vorsteuerabzugs“

In der Rechtssache C-499/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 21. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 16. September 2013, in dem Verfahren

Marian Macikowski

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter S. Rodin, A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von M. Macikowski, vertreten durch M. Kalinowski, radca prawny,

‐ des Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku, vertreten durch T. Tratkiewicz und J. Kaute als Bevollmächtigte,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Gawłowska als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. November 2014

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Steuerneutralität sowie der Art. 9, 193, 199, 206, 250 und 252 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Gerichtsvollzieher M. Macikowski und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Gdańsku wegen nicht fristgemäßer Zahlung der für den Verkauf eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung geschuldeten Mehrwertsteuer.

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