Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Steuerumgehung, Rechtsmissbrauch, Leasing statt Kauf von Wirtschaftsgütern ohne Vorsteuerabzugsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Steuervorteil, der sich daraus ergibt, dass ein Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftsgüter wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden auf Leasingumsätze zurückgreift, anstatt diese Wirtschaftsgüter unmittelbar zu erwerben, stellt keinen Steuervorteil dar, dessen Gewährung dem mit den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 und des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts verfolgten Ziel zuwiderliefe, sofern die diese Umsätze betreffenden Vertragsbedingungen, insbesondere diejenigen betreffend die Festsetzung der Miethöhe, normalen Marktbedingungen entsprechen und die Beteiligung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen nicht geeignet ist, ein Hindernis für die Anwendung dieser Bestimmungen zu bilden, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Der Umstand, dass dieses Unternehmen im Rahmen seiner normalen Handelsgeschäfte keine Leasingumsätze tätigt, ist insoweit ohne Belang.

2. Stellen bestimmte, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leasingumsätze betreffende Vertragsbedingungen und/oder die Mitwirkung einer zwischengeschalteten dritten Gesellschaft an diesen Umsätzen eine missbräuchliche Praxis dar, sind diese Umsätze in der Weise neu zu definieren, dass auf die Lage abgestellt wird, die ohne die Vertragsbedingungen mit Missbrauchscharakter und/oder die Mitwirkung dieser Gesellschaft bestanden hätte.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. F

 

Beteiligte

Weald Leasing

The Commissioners for HM Revenue and Customs

Weald Leasing Ltd

 

Verfahrensgang

Court of Appeal (Vereinigtes Königreich) (Urteil vom 24.02.2009; Abl.EU 2009, Nr. C 129/8)

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Begriff der missbräuchlichen Praxis ‐ Von einer Unternehmensgruppe bewirkte Leasingumsätze mit dem Zweck, die Entrichtung der nicht abziehbaren Mehrwertsteuer zu staffeln“

In der Rechtssache C-103/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 24. Februar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 13. März 2009, in dem Verfahren

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs

gegen

Weald Leasing Ltd

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Weald Leasing Ltd, vertreten durch M. Conlon, QC, und N. Shaw, Barrister, beauftragt durch S. Walsh, Solicitor,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von M. Hall, Barrister,

‐ von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Aston, SC,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos, S. Trekli und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Oktober 2010

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „missbräuchliche Praxis“ im Sinne der Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C-255/02, Slg. 2006, I-1609), vom 21. Februar 2008, Part Service (C-425/06, Slg. 2008, I-897), und vom 22. Mai 2008, Ampliscientifica und Amplifin (C-162/07, Slg. 2008, I-4019).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) und der Weald Leasing Ltd (im Folgenden: Weald Leasing) über die Mehrwertsteuer, die diese Gesellschaft aufgrund bestimmter von ihr getätigter Leasingumsätze zu entrichten hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

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