Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Versagung des Vorsteuerabzugs, Leistung durch einen als nichtexistent angesehenen Unternehmer, Unbekannter Rechnungsaussteller, Materielle Voraussetzung des Vorsteuerabzugs, Beweislast für das Recht auf Vorsteuerabzug

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 2002/38/EG des Rates vom 7. Mai 2002 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen, die einem Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer, die für Gegenstände, die ihm geliefert wurden, geschuldet ist oder entrichtet wurde, mit der Begründung versagt, dass die Rechnung von einem Wirtschaftsteilnehmer ausgestellt wurde, der nach den in dieser Regelung festgelegten Kriterien als ein nicht existenter Wirtschaftsteilnehmer anzusehen ist, und dass es unmöglich ist, die Identität des tatsächlichen Lieferers der Gegenstände festzustellen. Etwas anderes gilt nur, wenn aufgrund objektiver Anhaltspunkte und ohne von dem Steuerpflichtigen ihm nicht obliegende Überprüfungen zu fordern dargelegt wird, dass dieser Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass diese Lieferung im Zusammenhang mit einer Mehrwertsteuerhinterziehung steht, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

 

Normenkette

EWGRL 388/77

 

Beteiligte

PPUH Stehcemp

PPUH Stehcemp sp. j. Florian Stefanek, Janina Stefanek, Jaroslaw Stefanek

Dyrektor Izby Skarbowej w Lodzi

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 06.03.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 303/16)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Mehrwertsteuer ‐ Sechste Richtlinie ‐ Recht auf Vorsteuerabzug ‐ Versagung ‐ Verkauf, der von einer als nicht existent angesehenen Einrichtung durchgeführt wird“

In der Rechtssache C-277/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Polen) mit Entscheidung vom 6. März 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juni 2014, in dem Verfahren

PPUH Stehcemp sp. j. Florian Stefanek, Janina Stefanek, Jarosław Stefanek

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Łodzi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Prädsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. Šváby, A. Rosas, E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Dyrektor Izby Skarbowej w Łodzi, vertreten durch P. Szczerbiak und T. Szymański als Bevollmächtigte,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2002/38/EG des Rates vom 7. Mai 2002 (ABl. L 128, S. 41) (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der PPUH Stehcemp sp. j. Florian Stefanek, Janina Stefanek, Jarosław Stefanek (im Folgenden: PPUH Stehcemp) und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Łodzi (Direktor der Finanzkammer Łódź), weil dieser PPUH Stehcemp das Recht auf Abzug von Vorsteuer versagt hat, die sie für als verdächtig angesehene Umsätze entrichtet hatte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.“

Rz...

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