Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuervorauszahlungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach dem Urteil verstößt eine italienische Regelung, wonach Unternehmer für einen noch nicht abgelaufenen Voranmeldungszeitraum 65 % der für diesen Zeitraum fälligen Umsatzsteuer als vorgezogene Vorauszahlung zu entrichten haben, gegen Artikel 10 und 22 der 6. EG-Richtline. Die Unternehmer können sich insoweit unmittelbar auf das Gemeinschaftsrecht berufen.

Artikel 22 Abs. 5 der 6. EG-Richtline läßt den Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit, Ausnahmen von dem Grundsatz der Zahlung bei der Abgabe der periodischen Steuererklärung vorzusehen und vorläufige Vorauszahlungen zu erheben. Die Besonderheit der italienischen Regelung lag aber darin, daß sie die Unternehmer, die für ihre Vorauszahlung nicht die Steuer für den entsprechenden Vorjahreszeitraum als Bezugsgröße heranziehen wollten, dazu verpflichtete, die Vorauszahlung auf der Basis eines voraussichtlich zu erzielenden Umsatzes zu berechnen.

 

Beteiligte

Maurizio Balocchi

Ministero delle Finanze dello Stato

 

Gründe

Urteil des Gerichtshofes

In der Rechtssache C-10/92

betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vom Präsidenten des Tribunale Genua in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Maurizio Balocchi[1]

gegen

Ministerio delle Finanze

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABI. L 145, S. 1)

erläßt

Der Gerichtshof

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida und D. A. O. Edward, der Richter R. Joliet, F. A. Schockweiler, F. Grévisse, M. Zuleeg und J. L. Murray,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

von Herrn Maurizio Balocchi, vertreten durch die Rechtsanwälte Filippo-Capozio, Giuseppe Conte und Giuseppe Giacomni, Genua,

der italienischen Regierung, vertreten durch Luigi Ferrari Bravo, Leiter des Servizio del Contenzioso diplomatico des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, Beistand: Franco Favara, Avvocato dello Stato,

die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Enrico Traversa, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Beistand; Rechtsanwälte Alberto Dal Ferro, Vicenza, und Monica Medici, Modena,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Herrn Maurizio Balocchi, der italienischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Susan Cochrane, Treasury Solicitor's Department als Bevollmächtigte, und Stephen Richards, Barrister, sowie der Kommission in der Sitzung vom 10. Februar 1993,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 1993,

folgendes

Urteil

1 Der Präsident des Tribunale Genua hat mit Beschluß vom 18. Dezember 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Januar 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABI. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem italienischen Staatsangehörigen Balocchi und dem italienischen Finanzministerium, in dem es um die Entrichtung einer vorläufigen Abschlagszahlung auf die geschuldete Mehrwertsteuer geht.

3 Die italienischen Rechtsvorschriften über die Mehrwertsteuer legen die Dauer des Steuerzeitraums auf ein Jahr fest (1. Januar bis 31. Dezember). Die Steuerpflichtigen haben für jedes Steuerjahr bis zum 5. März des darauffolgenden Jahres eine jährliche Steuererklärung abzugeben. Diese Erklärung stellt eine Zusammenfassung dar. Die Steuerpflichtigen sind nämlich gehalten, im Laufe des Steuerjahres je nach der Höhe des Umsatzes monatliche oder dreimonatliche Zahlungen zu leisten. Je nach Lage des Falles entrichten sie bei der Vorlage ihrer jährlichen Steuererklärung an die Finanzverwaltung den für die von ihnen während des gesamten Steuerjahres getätigten Geschäfte geschuldeten Restbetrag der Mehrwertsteuer, oder sie erhalten den zuviel bezahlten Betrag zurück.

4 Vor 1991 wurde der für das letzte Quartal des Jahres geschuldete Mehrwertsteuerbetrag in der Regel gleichzeitig mit der jährlichen Steuererklärung entrichtet, die spätestens im März des folgenden Jahres abzugeben war. Diese Regel wurde durch Artikel 6 Absatz 2 des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 405/90 vom 29. Dezember 1990 /Suppl. ord. GURI Nr. 303 vom 31. Dezember 1990; im folgenden: Gesetz Nr. 405/90) geändert.

5 Nach der Neuregelung haben die zur Leistung monatlicher Zahlungen verpflichte...

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