Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung einer Steuerermäßigung wegen ausländischer Quellensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 56 EG und 58 EG stehen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegen, die eine Ermäßigung, die einem im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen steuerlichen Anlageorganismus wegen in einem anderen Mitgliedstaat einbehaltener Quellensteuer auf die von diesem Organismus erhaltenen Dividenden zu gewähren ist, auf den Betrag beschränken, den eine im Hoheitsgebiet des zuerst genannten Mitgliedstaats wohnende natürliche Person aufgrund eines mit dem anderen Mitgliedstaat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens wegen derselben Abzüge hätte anrechnen lassen können.

2. Die Art. 56 EG und 58 Abs. 1 EG stehen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den im Ausgangsverfahren streitigen entgegen, nach denen eine Ermäßigung, die einem im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen steuerlichen Anlageorganismus wegen in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland einbehaltener Quellensteuer auf die von diesem Organismus erhaltenen Dividenden zu gewähren ist, beschränkt wird, wenn und soweit es sich bei dessen Anteilsinhabern um in anderen Mitgliedstaaten oder in Drittändern ansässige natürliche oder juristische Personen handelt, da eine solche Beschränkung eine unterschiedslose Benachteiligung aller Anteilsinhaber dieses Organismus zur Folge hat.

Insoweit macht es keinen Unterschied, wenn die ausländischen Anteilsinhaber eines steuerlichen Anlageorganismus in einem Staat ansässig sind, mit dem der Mitgliedstaat der Niederlassung dieses Organismus ein Abkommen geschlossen hat, das die gegenseitige Anrechnung der Quellensteuer auf Dividenden vorsieht.

3. Eine Beschränkung fällt als Beschränkung von Kapitalbewegungen, die mit Direktinvestitionen verbunden sind, unter Art. 57 Abs. 1 EG, soweit sie sich auf Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmen, für die die Mittel zum Zweck einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind, bezieht.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56-58

 

Beteiligte

Orange European Smallcap Fund

Staatssecretaris van Financiën

Orange European Smallcap Fund NV

 

Verfahrensgang

Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 14.04.2006; Abl.EU 2006, Nr. C 178/15)

 

Tatbestand

„Art. 56 EG bis 58 EG ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Dividendenbesteuerung ‐ Ermäßigung, die einem steuerlichen Anlageorganismus wegen der von einem anderen Mitgliedstaat einbehaltenen Quellensteuer auf die von diesem Organismus erhaltenen Dividenden gewährt wird ‐ Beschränkung dieser Ermäßigung auf den Betrag, den ein im Mitgliedstaat der Niederlassung dieses Organismus ansässiger Anteilsinhaber, der eine Anlage ohne Vermittlung eines solchen Organismus getätigt hat, aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Einkommensteuer anrechnen könnte ‐ Beschränkung dieser Ermäßigung im Verhältnis der Beteiligung gebietsfremder Anteilsinhaber am Kapital dieses Organismus“

In der Rechtssache C-194/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 14. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 26. April 2006, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

Orange European Smallcap Fund NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und L. Bay Larsen, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann, P. Kũris, E. Juhász, E. Levits (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh und des Richters J.-C. Bonichot,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Orange European Smallcap Fund NV, vertreten durch B. J. Kiekebeld, J. van Eijsden und D. Smit, belastingadviseurs,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und M. de Grave als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und A. Weimar als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Juli 2007

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG und 58 EG.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) und der Orange European Smallcap Fund NV (im Folgenden: OESF) wegen der Höhe der Ermäßigung, die aufgrund der im niederländischen Recht vorgesehenen steuerlichen Sonderregelung zugunsten steuerlicher Anlageorganismen wegen der Steuern zu gewähren ist, die im Ausland auf die Dividenden erhoben wurden, die OESF im Geschäftsjahr 1997/98 erhielt.

Rechtlicher Rahmen

3

Art. 28 der Wet o...

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