Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbarkeit, Bemessungsgrundlage, tauschähnlicher Umsatz, Bestellung eines Erbbaurechts gegen Erbringung von Bauleistungen, Anzahlungsbesteuerung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 63 und 65 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie es bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens, wenn einer Gesellschaft im Hinblick auf die Errichtung eines Gebäudes ein Erbbaurecht als Gegenleistung für Leistungen bestellt wird, die im Bau bestimmter unbeweglicher Sachen innerhalb dieses Gebäudes bestehen, zu deren schlüsselfertiger Lieferung an die Besteller des Erbbaurechts sich die Gesellschaft verpflichtet, nicht verbieten, dass der Steueranspruch für diese Bauleistungen schon zum Zeitpunkt der Bestellung des Erbbaurechts, d. h. vor Erbringung dieser Dienstleistungen, entsteht, sofern zum Zeitpunkt der Bestellung dieses Rechts alle maßgeblichen Elemente dieser künftigen Dienstleistung bereits bekannt und somit insbesondere die fraglichen Dienstleistungen genau bestimmt sind und sofern der Wert dieses Rechts in Geld ausgedrückt werden kann, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.

2. Bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens, bei der der Umsatz nicht zwischen Parteien bewirkt wird, zwischen denen Bindungen im Sinne von Art. 80 der Richtlinie 2006/112 bestehen ‐ was das vorlegende Gericht allerdings zu überprüfen hat ‐, sind die Art. 73 und 80 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach dann, wenn die Gegenleistung für einen Umsatz vollständig aus Gegenständen oder Dienstleistungen besteht, die Steuerbemessungsgrundlage für diesen Umsatz der Normalwert der gelieferten Gegenstände bzw. erbrachten Dienstleistungen ist.

3. Die Art. 63, 65 und 73 der Richtlinie 2006/112 haben unmittelbare Wirkung.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 63, 65, 73, 80

 

Beteiligte

Orfey

Direktor na Direktsia Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto - grad Burgas pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

Orfey Balgaria EOOD

 

Verfahrensgang

Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Urteil vom 27.10.2011; ABl. EU 2012, Nr. C 13/7)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 63, 65, 73 und 80 ‐ Bestellung eines Erbbaurechts durch natürliche Personen zugunsten einer Gesellschaft gegen Erbringung von Bauleistungen durch diese Gesellschaft an die natürlichen Personen ‐ Tauschvertrag ‐ Mehrwertsteuer auf die Bauleistungen ‐ Steuertatbestand ‐ Steueranspruch ‐ Vorauszahlung der gesamten Gegenleistung ‐ Anzahlung ‐ Steuerbemessungsgrundlage eines Umsatzes, wenn die Gegenleistung aus Gegenständen oder Dienstleistungen besteht ‐ Unmittelbare Wirkung“

In der Rechtssache C-549/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Bulgarien) mit Entscheidung vom 27. Oktober 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 2. November 2011, in dem Verfahren

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ ‐ grad Burgas pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

gegen

Orfey Balgaria EOOD

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Richterin C. Toader in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ ‐ grad Burgas pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch I. Andonova als Bevollmächtigte,

‐ der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Ivanov und E. Petranova als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und V. Savov als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63, 65, 73 und 80 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ ‐ grad Burgas pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsiya za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Verwaltung des Vollzugs“ der Stadt Burgas bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen, im Folgenden: Direktor) und der Orfey Balgaria EOOD (im Folgenden: Orfey) über einen Steuerprüfungsbescheid, durch den Orfey zur Zahlung eines zusätzlichen Mehrwertsteuerbetrags verpflichtet wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 62 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Für die Zwecke dieser...

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