Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer, Mitteilungspflicht von Kreditinstituten, Mitteilung über das Vermögen verstorbener Bankkunden, Mitteilungspflicht in Erbschaftsteuersachen

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach der Kreditinstitute mit Sitz in diesem Mitgliedstaat den nationalen Behörden Vermögensgegenstände, die bei ihren unselbständigen Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, im Fall des Ablebens des Eigentümers dieser Vermögensgegenstände, der im erstgenannten Mitgliedstaat Steuerinländer war, anzeigen müssen, wenn im zweitgenannten Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen.

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Sparkasse Allgäu

Finanzamt Kempten

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 01.10.2014; Aktenzeichen II R 29/13; BFH/NV 2015, 113)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.11.2016; Aktenzeichen II R 29/13)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Art. 49 AEUV ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, mit der Kreditinstitute verpflichtet werden, der Steuerverwaltung für die Zwecke der Erhebung der Erbschaftsteuer Informationen über das Vermögen verstorbener Kunden mitzuteilen ‐ Anwendung dieser Regelung auf Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat, in dem das Bankgeheimnis eine solche Mitteilung grundsätzlich verbietet“

In der Rechtssache C-522/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 19. November 2014, in dem Verfahren

Sparkasse Allgäu

gegen

Finanzamt Kempten

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter D. Šváby, J. Malenovský, M. Safjan, und M. Vilaras (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Sparkasse Allgäu, vertreten durch Rechtsanwalt W.-R. Bub,

‐ des Finanzamts Kempten, vertreten durch L. Bachmann als Bevollmächtigten,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch A. Dimitrakopoulou und A. Magrippi als Bevollmächtigte,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. November 2015

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sparkasse Allgäu und dem Finanzamt Kempten wegen der Weigerung des Kreditinstituts, das Finanzamt über bei seiner unselbständigen Zweigstelle in Österreich geführte Konten von Personen zu informieren, die zum Zeitpunkt ihres Todes in Deutschland Steuerinländer waren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 2006/48/EG

Rz. 3

Art. 23 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. L 177, S. 1) lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die in der Liste in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten in ihrem Hoheitsgebiet gemäß Artikel 25, Artikel 26 Absätze 1 bis 3, Artikel 28 Absätze 1 und 2 sowie den Artikeln 29 bis 37 sowohl über eine Zweigstelle als auch im Wege des Dienstleistungsverkehrs von jedem Kreditinstitut ausgeübt werden können, das durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats zugelassen ist und kontrolliert wird, soweit die betreffenden Tätigkeiten durch die Zulassung abgedeckt sind.“

Rz. 4

Zu den in Anhang I der Richtlinie 2006/48 aufgeführten Tätigkeiten gehört u. a. die „Entgegennahme von Einnahmen und anderen rückzahlbaren Geldern“.

Rz. 5

Art. 31 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Artikel 29 und 30 berühren nicht die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Unregelmäßigkeiten in seinem Gebiet zu verhindern oder zu ahnden, die den gesetzlichen Bestimmungen zuwiderlaufen, die er aus Gründen des Allgemeininteresses erlassen hat. Dies umfasst auch die Möglichkeit, einem Kreditinstitut, bei dem Unregelmäßigkeiten vorkommen, die Aufnahme neuer Geschäftstätigkeiten in seinem Hoheitsgebiet zu untersagen.“

Richtlinie 2011/16/EU

Rz. 6

In Art. 8 Abs. 3a der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64, S. 1) in der durch die Richtlinie 2014/107/EU des Rates vom 9. Dezember 2014 (ABl. L 359, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2011/16) heißt es:

„Jeder Mitgliedstaat ergreift die notwendigen Maßnahmen, um seine MELDENDEN FINANZINSTITUTE zur Befolgung der in den Anhängen I und II enth...

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