Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsrechtsordnung, Grundsätze der Effektivität und des Vertrauensschutzes, rückwirkende Einschränkung einer Frist zur Erstattung von Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze der Effektivität und des Vertrauensschutzes stehen einer nationalen Regelung entgegen, die rückwirkend die Frist verkürzt, innerhalb deren die Erstattung von als Mehrwertsteuer gezahlten Beträgen gefordert werden kann, wenn diese unter Verstoß gegen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage erhoben wurden, die wie deren Artikel 11 Teil A Absatz 1 unmittelbare Wirkung entfalten.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 1

 

Beteiligte

Marks & Spencer

Marks & Spencer plc

Commissioners of Customs & Excise

 

Verfahrensgang

Court of Appeal of England and Wales (Großbritannien)

 

Tatbestand

Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Nationale Regelung, die rückwirkend eine Verjährungsfrist für die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge verkürzt - Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Effektivität und des Vertrauensschutzes

In der Rechtssache C-62/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Marks & Spencer plc

gegen

Commissioners of Customs & Excise

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter D. A. O. Edward und A. La Pergola (Berichterstatter),

Generalanwalt: L. A. Geelhoed

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Marks & Spencer, vertreten durch D. Waelbroeck, avocat, und D. Milne, QC, zuerst beauftragt durch die Kanzlei Walker Martineau, dann durch die Kanzlei Forbes Hall, Solicitors,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von K. P. E. Lasok, QC, und P. Mantle, Barrister,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Marks & Spencer, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission in der Sitzung vom 18. Oktober 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Januar 2002,

folgendes

Urteil

1. Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) hat mit Beschluss vom 14. Dezember 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Februar 2000, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Marks & Spencer plc (nachfolgend: Marks & Spencer) und den im Vereinigten Königreich für die Erhebung der Mehrwertsteuer zuständigen Commissioners of Customs & Excise (nachfolgend: Commissioners) über die Erstattung von Mehrwertsteuer, die von Marks & Spencer rechtsgrundlos gezahlt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Die Gemeinschaftsregelung

3. In Artikel 11 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, nachfolgend: Sechste Richtlinie) heißt es:

A. Im Inland

(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:

a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b, c und d genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen;

Die nationale Regelung

4. Nach Ansicht der Parteien des Ausgangsverfahrens und des vorlegenden Gerichts ist Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie im Vereinigten Königreich erst mit Wirkung vom 1. August 1992 durch den Finance (No. 2) Act 1992, mit dem Section 10(3) des Value Added Tax Act 1983 geändert wurde, ordnungsgemäß umgesetzt worden.

5. Die letztgenannte Vorschrift lautet nunmehr:

Erfolgt die Lieferung im Austausch für eine Gegenleistung, die nicht oder nicht in vollem Umfang in Geld besteht, so bestimmt sich ihr Wert nach dem Betrag, der zuzüglich der angefallenen Steuer der Gegenleistung entspricht.

6. Was die Rechtsvorschriften über die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Mehrwertsteuerbeträge anbelangt, lauteten die einschlägigen Bestimmungen von Section 24 des Finance Act 1989 (mit Wirkung vom 1. Januar 1990) wie f...

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