Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer, testamentarische Zuwendung an Organisationen ohne Gewinnzweck, Beschränkung des ermäßigten Steuersatzes auf im Ansässigkeitsstaat des Erblassers ansässige Organisationen ohne Gewinnzweck

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 63 AEUV steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die die Möglichkeit, in den Genuss des ermäßigten Erbschaftsteuersatzes zu gelangen, Organisationen ohne Gewinnzweck vorbehält, die ihren Geschäftssitz in diesem Mitgliedstaat oder dem Mitgliedstaat haben, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes tatsächlich wohnte oder seinen Arbeitsort hatte oder in dem er vorher tatsächlich gewohnt oder seinen Arbeitsort gehabt hat.

 

Normenkette

AEUV Art. 63

 

Beteiligte

Missionswerk Werner Heukelbach

Missionswerk Werner Heukelbach eV

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Tribunal de première instance de Liège (Belgien) (Urteil vom 07.01.2010; Abl.EU 2010, Nr. C 100/17)

 

Tatbestand

„Direkte Besteuerung ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Erbschaftsteuer ‐ Testamentarische Zuwendung an Organisationen ohne Gewinnzweck ‐ Ablehnung der Anwendung eines ermäßigten Satzes, wenn diese Organisationen ihren Geschäftssitz in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen haben, in dem der Erblasser tatsächlich gewohnt oder gearbeitet hat ‐ Beschränkung ‐ Rechtfertigung“

In der Rechtssache C-25/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de première instance de Liège (Belgien) mit Entscheidung vom 7. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Januar 2010, in dem Verfahren

Missionswerk Werner Heukelbach eV

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Missionswerk Werner Heukelbach eV, vertreten durch J. Roseleth, avocat,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von E. Jacubowitz, avocat,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und J.-P. Keppenne als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 AEUV, 45 AEUV, 49 AEUV und 54 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits des Missionswerk Werner Heukelbach eV (im Folgenden: Missionswerk) gegen den Belgischen Staat, bei dem es um dessen Weigerung geht, den ermäßigten Satz der Steuern anzuwenden, die anlässlich eines Erbfalls geschuldet werden, in dessen Rahmen dieser Verein begünstigt worden ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] (ABl. L 178, S. 5) lautet:

„(1) Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.

(2) Die mit dem Kapitalverkehr zusammenhängenden Zahlungstransaktionen erfolgen zu den gleichen Devisenbedingungen, die bei Zahlungen für laufende Transaktionen gelten.“

Rz. 4

Zum in Anhang I der Richtlinie 88/361 aufgeführten Kapitalverkehr gehört die Rubrik XI „Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“. Darunter fallen Erbschaften und Vermächtnisse.

Nationales Recht

Rz. 5

Art. 59 Nr. 2 des Code des droits de succession (Erbschaftsteuergesetzbuch), eingeführt durch Arrêté royal (Königlicher Erlass) Nr. 308 vom 31. März 1936 (Moniteur belge vom 7. April 1936, S. 2403), bestätigt durch Gesetz vom 4. Mai 1936 (Moniteur belge vom 7. Mai 1936, S. 3426, im Folgenden: Code), bestimmt, dass die Steuern auf Erbschaft und Erwerb von Todes wegen ermäßigt werden „auf 7 % für Vermächtnisse zugunsten von Vereinigungen ohne Gewinnzweck, Genossenschaften oder nationalen Genossenschaftsverbänden, Berufsverbänden und internationalen Vereinen ohne Gewinnzweck, privaten Stiftungen und gemeinnützigen Stiftungen“.

Rz. 6

Nach Art. 60 Abs. 1 des Code in der durch Décret-programme (Programmerlass) der wallonischen Regierung vom 18. Dezember 2003 mit verschiedenen Maßnahmen im Bereich der Regionalabgaben, der Finanzverwaltung und der Schulden, der Marktorganisation für Energie, Umwelt, Landwirtschaft, örtliche und untergeordnete Behörden, des Vermögens, des Wohnungswesens und des öffentlichen Dienstes (Moniteur belge vom 6. Februar 2004, S. 7196) geänderten Fassung ist der ermäßigte Satz im Sinne von Art. 59 Nr. 2 des Code nur auf Organisationen und Einrichtungen anwendbar, die...

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