Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkünfte aus Wohnung, Niederlande, Negative Einkünfte aus dem Erwerb einer Wohnung, Wohnung in einem anderen EU-Mitgliedstaat, Gleichstellung mit Ortsansässigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat, dessen Steuervorschriften den Abzug von „negativen Einkünften“ im Zusammenhang mit einer Wohnung zulassen, verwehrt, einem gebietsfremden Selbständigen die Gewährung dieses Abzugs zu versagen, wenn dieser im Gebiet dieses Mitgliedstaats 60 % seiner gesamten Einkünfte erzielt und im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem seine Wohnung belegen ist, keine Einkünfte erzielt, die es ihm ermöglichten, ein gleichwertiges Abzugsrecht geltend zu machen.

2. Das Verbot, das sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, betrifft jeden Tätigkeitsmitgliedstaat, in dessen Gebiet ein Selbständiger Einkünfte erzielt, die es ihm ermöglichen, dort ein gleichwertiges Abzugsrecht geltend zu machen, und zwar im Verhältnis zu den in den Tätigkeitsmitgliedstaaten jeweils erzielten Anteilen der betreffenden Einkünfte. „Tätigkeitsmitgliedstaat“ ist insoweit jeder Mitgliedstaat, der zur Besteuerung derjenigen Einkünfte aus der Tätigkeit eines Gebietsfremden befugt ist, die in seinem Gebiet erzielt worden sind, unabhängig davon, an welchem Ort die Tätigkeit konkret ausgeübt wird.

3. Der Umstand, dass der betreffende gebietsfremde Steuerpflichtige einen Teil seiner steuerpflichtigen Einkünfte nicht in einem Mitgliedstaat erzielt, sondern in einem Drittstaat, hat keine Auswirkungen auf die Antwort auf die zweite Frage.

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

XX

Staatssecretaris van Financiën

 

Verfahrensgang

Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 22.05.2015; ABl. EU, 2015 Nr. C 294/31)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Einkommensteuer ‐ Angehöriger eines Mitgliedstaats, der Einkünfte in diesem Mitgliedstaat und in einem Drittstaat erzielt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt ‐ Steuerliche Vergünstigung zur Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation“

In der Rechtssache C-283/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 22. Mai 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juni 2015, in dem Verfahren

X

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von X, vertreten durch B. Dieleman, A. A. W. Langevoord und T. C. Gerverdinck, belastingadviseurs,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Noort als Bevollmächtigte im Beistand des Sachverständigen J. C. L. M. Fijen,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer, E. Lachmayer und F. Koppensteiner als Bevollmächtigte,

‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Rebelo und J. Martins da Silva als Bevollmächtigte,

‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, E. Karlsson, L. Swedenborg und N. Otte Widgren als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt als Bevollmächtigten im Beistand von R. Hill, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und C. Soulay als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. September 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der „Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit“.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und dem Staatssecretaris van Financiën (Staatsekretär für Finanzen) über die Weigerung der niederländischen Finanzverwaltung, X den Abzug der „negativen Einkünfte“ aus einer in Spanien belegenen Eigentumswohnung zu gestatten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 2.3 des Wet Inkomstenbelasting 2001 (Einkommensteuergesetz 2001, im Folgenden: Gesetz von 2001) bestimmt:

„Die Einkommensteuer wird auf folgende vom Steuerpflichtigen im betreffenden Kalenderjahr erzielte Einkünfte erhoben:

a) steuerpflichtige Einkünfte aus Arbeit und Wohnung,

b) steuerpflichtige Einkünfte aus einer wesentlichen Beteiligung und

c) steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen.“

Rz. 4

Art. 2.4 des Gesetzes von 2001 sieht vor:

„1. Die steuerpflichtigen Einkünfte aus Arbeit und Wohnung werden bestimmt:

a) für inländische Steuerpflichtige nach Kapitel 3,

b) für ausländische Steuerpflichtige nach Abschnitt 7.2 …“

Rz. 5

In Art. 2.5 des Gesetzes von 2001 he...

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