Entscheidungsstichwort (Thema)

Konzernbesteuerung, Steuerbefreiung der Dividendenausschüttung einer gebietsfremden Tochtergesellschaft, Dividendenabzug, Neutralisierung der Hinzurechnung des Anteils für Ausgaben und Aufwendungen zum Gewinn der Muttergesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zur Konzernbesteuerung entgegensteht, wonach bei der Muttergesellschaft eines steuerlichen Konzerns die Hinzurechnung eines Anteils für Ausgaben und Aufwendungen, der pauschal auf 5 % des Nettobetrags der Dividenden, die sie von den in den steuerlichen Konzern einbezogenen gebietsansässigen Gesellschaften erhält, festgelegt ist, neutralisiert wird, während ihr nach diesen Rechtsvorschriften eine solche Neutralisierung für diejenigen Dividenden versagt wird, die von ihren Tochtergesellschaften an sie ausgeschüttet werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und die, wenn sie gebietsansässig wären, objektiv für die Wahl der Konzernbesteuerung in Betracht kämen.

 

Normenkette

AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Groupe Steria

Groupe Steria SCA

Ministère des finances et des comptes publics

 

Verfahrensgang

Cour administrative Versailles (Beschluss vom 29.07.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 372/4)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Richtlinie 90/435/EWG ‐ Art. 4 Abs. 2 ‐ Grenzüberschreitende Dividendenausschüttungen ‐ Körperschaftsteuer ‐ Konzernbesteuerung (französische ‚intégration fiscale‘) ‐ Steuerbefreiung für von den Tochtergesellschaften eines steuerlichen Konzerns ausgeschüttete Dividenden ‐ Sitzerfordernis ‐ Dividendenausschüttungen gebietsfremder Tochtergesellschaften ‐ Nicht abziehbare Ausgaben und Aufwendungen, die mit der Beteiligung zusammenhängen“

In der Rechtssache C-386/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour administrative d’appel de Versailles (Frankreich) mit Entscheidung vom 29. Juli 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2014, in dem Verfahren

Groupe Steria SCA

gegen

Ministère des Finances et des Comptes publics

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und C. Lycourgos,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Groupe Steria SCA, vertreten durch R. Schneider, avocat,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch J.-S. Pilczer und D. Colas als Bevollmächtigte,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. de Ree und M. Bulterman als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Kraehling als Bevollmächtigte im Beistand von S. Ford, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-F. Brakeland und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Juni 2015

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Groupe Steria SCA und dem Ministère des Finances et des Comptes publics über dessen Weigerung, dieser Gesellschaft einen Teil der Körperschaftsteuer und der Zusatzabgaben zu dieser Steuer zu erstatten, die sie für die abgeschlossenen Geschäftsjahre 2005 bis 2008 entrichtet hatte und die der Besteuerung des Anteils für Ausgaben und Aufwendungen entsprachen, der ihren Ergebnissen aufgrund der von ihren Tochtergesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als Frankreich bezogenen Dividenden hinzugerechnet worden war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 4 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) in der durch die Richtlinie 2003/123/EG des Rates vom 22. Dezember 2003 (ABl. L 7, S. 41) geänderten Fassung, die in dem Zeitraum galt, auf den sich der Ausgangsrechtsstreit bezieht, bestimmte:

„(1) Fließen einer Muttergesellschaft oder ihrer Betriebsstätte aufgrund ihrer Beteiligung an der Tochtergesellschaft Gewinne zu, die nicht anlässlich der Liquidation der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, so

‐ besteuern der Staat der Muttergesellschaft und der Staat der Betriebsstätte diese Gewinne entweder nicht oder

‐ lassen im Falle einer Besteuerung zu, dass die Muttergesellschaft und die Betriebsstätte auf die geschuldete Steuer den Steuerteilbetrag, den die Tochtergesellschaft und jegliche Enkelgesellschaft für diesen Gewinn entrichtet, bis zur Höhe der entsprechenden Steuerschuld anrechnen können …

(2) Jeder Mitgliedstaat kann bestimmen, dass Kosten der Beteiligung an der Tochtergesellsch...

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