Kommentar

Bei der Klage der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen die Bundesrepublik Deutschland vom ging es um die Frage des Anspruchs auf Umsatzsteuererstattung gemäß Artikel 8 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der EZB (EZB-Sitzabkommen) i.V.m. Artikel 3 Abs. 2 und Artikel 23 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften (Privilegienprotokoll).

Die EZB begehrte aus steuerfrei an sie erbrachten Grundstücksvermietungsleistungen eine Erstattung von im Mietzins enthaltener, auf Seiten des Vermieters nicht als Vorsteuer abziehbarer Restmehrwertsteuer. Die Antragsgegnerin war der Auffassung, dass der EZB nach Artikel 8 Absatz (1) des EZB-Sitzabkommens ("[…] erstattet das Bundesamt für Finanzen aus dem Aufkommen der Umsatzsteuer auf Antrag der EZB von Unternehmen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für deren Lieferungen und sonstige Leistungen an die EZB, wenn diese Umsätze für den Dienstbedarf der EZB bestimmt sind. […]") nur gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer erstattet werden kann. Da der Vermieter wegen der fehlenden Unternehmereigenschaft der EZB für die Vermietungsleistungen nicht nach § 9 UStG zur Steuerpflicht optieren (damit auch keine Umsatzsteuer in der Rechnung ausweisen) konnte und somit für seine Eingangsleistungen der Vorsteuerabzug nicht möglich war, war fraglich, ob in dem Mietzins kalkulatorisch enthaltene Restmehrwertsteuer (nichtabziehbare Vorsteuer) gleichwohl nach Artikel 8 Abs. 1 des EZB-Sitzabkommens erstattet werden muss.

Der EuGH hatte zunächst zu prüfen, ob die Klage sowohl im Hinblick auf das Privilegienprotokoll als auch im Hinblick auf das EZB-Sitzabkommen überhaupt zulässig war. Nach Artikel 21 des EZB-Sitzabkommens sind Gegenstand der Schiedsklausel "Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und der EZB hinsichtlich der Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens." Da derartige Meinungsverschiedenheiten bestanden und die Frage im Raum stand, ob Artikel 8 Abs. 1 des Sitzstaatabkommens im Hinblick auf Artikel 3 Abs. 2 des Privilegienprotokolls weiter auszulegen ist, hat der EuGH die Klage für zulässig erachtet.

Die Klage war jedoch unbegründet. Gemäß Artikel 3 Abs. 2 des Privilegienprotokolls treffen die Mitgliedstaaten "in allen Fällen, in denen es ihnen möglich ist, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung des Betrages der indirekten Steuern […], die in den Preisen für bewegliche oder unbewegliche Güter inbegriffen sind". Artikel 8 Absatz 1 des Sitzabkommens sieht unstreitig nur die Erstattung der "gesondert in Rechnung gestellte[n] Umsatzsteuer für … Lieferungen und sonstige Leistungen an die EZB" vor. Für die steuerfreien Vermietungsleistungen konnte aber keine Steuer ausgewiesen werden. Die EZB hatte dennoch geltend gemacht, dass der im Licht des Artikels 3 Absatz 2 des Privilegienprotokolls ausgelegte Artikel 8 Absatz 1 des Sitzabkommens nicht nur die Erstattung der gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer vorsehe, sondern auch die Erstattung aller Umsatzsteuern, die in den von der EZB gezahlten Preisen enthalten seien, und somit auch der Umsatzsteuer, die ihr aufgrund der Überwälzung dieser Steuer auf die ihr von ihren Vermietern in Rechnung gestellten Mietbeträge mittelbar auferlegt werde, und zwar unabhängig davon, ob diese gesondert in Rechnung gestellt werde. Dies hat der EuGH zurückgewiesen. Der Wortlaut des Sitzabkommens ist nach dem Urteil eindeutig (nur gesondert ausgewiesene Steuer kann erstattet werden).

Es wäre ohnehin fraglich gewesen, ob die Bundesrepublik Deutschland einen unzulässigen fiskalischen Vorteil auf Kosten der EZB dadurch erlangte, dass die Vermietung an die EZB umsatzsteuerfrei erfolgte. Bei der Vermietung von Bürogebäuden an die EZB ergibt sich wohl die gleiche Situation wie bei einer Vermietung an andere hierfür typischerweise in Betracht kommende Mieter wie Kreditinstitute oder Versicherungsgesellschaften. Das Umsatzsteueraufkommen, das aus der Nichtabziehbarkeit der Vorsteuer auf Seiten des Vermieters resultiert, fließt dem deutschen Fiskus aufgrund der Leistungsbeziehung "Vorleister an Vermieter" zu. Der "Vorleister" (z.B. ein Bauhandwerker, der dem Vermieter Leistungen gegenüber erbringt) führt die Umsatzsteuer aus seiner Leistung an den Fiskus ab. Diese Steuer verbleibt dem Fiskus endgültig, weil der Vermieter die Steuer nicht als Vorsteuer abziehen kann. Das bedeutet, der Fiskus hat das Steueraufkommen bereits erzielt, ohne dass es auf die Vermietungsleistung an die EZB bzw. eine Zahlung etwaiger im Mietzins enthaltener Umsatzsteuern durch die EZB ankäme.

Das Urteil bewahrt Deutschland vor etwaigen Forderungen, auch anderen hier ansässigen internationalen Organisationen nicht nur in Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuern zu erstatten, sondern bei steuerfreien Leistungen auch im Preis enthaltene Reststeuern. Es wäre sehr schwierig, überhaupt eine Restumsatzsteuer zu ermitteln. Außerdem würde dies auch von der Be...

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