Leitsatz

1. Bezugspunkt für eine Änderung der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verluste ist nicht der ESt-Bescheid, sondern grundsätzlich der Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahrs (Anschluss an das BFH-Urteil vom 17.09.2008, IX R 70/06, BFH/NV 2009, 65, BFH/PR 2009, 51).

2. Ist der verbleibende Verlustabzug erstmals gesondert festzustellen, ist der "bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust" nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Regelungen in § 10d EStG zu bestimmen.

 

Normenkette

§ 10d Abs. 3 EStG 1997

 

Sachverhalt

Herr K erzielte 1997 als selbstständiger Arzt mit dem Betrieb einer gepachteten Klinik Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Im ersten ESt-Bescheid berücksichtigte das FA einen negativen Gesamtbetrag von 257000 DM. Der verbleibende Verlustabzug wurde nicht festgestellt. Im geänderten ESt-Bescheid wurde ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte von 240000 DM zugrunde gelegt. Dementsprechend wurde der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.1997 festgestellt.

Im Einspruchverfahren trug K vor, der Änderungsbescheid hätte nicht ergehen dürfen. So sah das auch das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2007, 2 K 1618/06, Haufe-Index 2079124). Mangels einer entsprechenden Änderungsmöglichkeit sei der ursprüngliche ESt-Bescheid (GdE ./. 257000 DM) maßgebend. Aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Erwägungen kam der BFH zu einem anderen Ergebnis.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab dem FA recht: Es hatte zutreffend bei der Ermittlung des verbleibenden Verlustabzugs nicht auf den ursprünglichen ESt-Bescheid (GdE ./. 257000 DM) abgestellt, sondern den Verlust selbstständig ermittelt.

 

Hinweis

Kernpunkt dieser Entscheidung ist die Antwort auf die Frage, was Bezugspunkt für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs ist – der im ESt-Bescheid für das Verlustentstehungsjahr enthaltene oder der nach den materiell-rechtlichen Vorschriften ermittelte negative Gesamtbetrag der Einkünfte.

1. Zunächst zu den komplizierten Rechtsgrundlagen: Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug ist nach § 10d Abs. 3 S. 1 EStG (1997, in der aktuellen Fassung des EStG ergibt sich alles aus Abs. 4 statt Abs. 3) gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustabzug ist der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustabzug (§ 10d Abs. 3 S. 2 EStG). Feststellungsbescheide sind zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die nach § 10d Abs. 3 S. 2 EStG zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist (§ 10d Abs. 3 S. 4 EStG).

2. Rechtsgrundlage für die erstmalige gesonderte Feststellung ist § 10d Abs. 3 S. 1 EStG. § 10d Abs. 3 S. 4 EStG ist demgegenüber nicht einschlägig, auch wenn sich der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust im ESt-Bescheid geändert hat – ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte enthält den nicht ausgeglichenen Verlust. Nach dem Wortlaut der Norm (... "und deshalb"...) ist der Erlass, die Aufhebung oder die Änderung des "entsprechenden Steuerbescheids" lediglich die Rechtsfolge eines Erlasses, einer Aufhebung oder einer Änderung des Feststellungsbescheids. Nach seiner Zweckbestimmung ist § 10d Abs. 3 S. 4 EStG daher als reine Korrekturvorschrift zu verstehen. Vor diesem Hintergrund kann Bezugspunkt für eine Änderung der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verluste nicht der ESt-Bescheid, sondern grundsätzlich nur ein (bereits erlassener) Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahrs sein (so auch Ettlich, Der Betrieb 2009, 18, 22).

Der verbleibende Verlustabzug ist also unabhängig von einer bestandskräftigen ESt-Veranlagung so zu berechnen, wie er sich bei zutreffender Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und des Verlustrück- und -vortrags nach § 10d Abs. 1 und Abs. 2 ergeben hätte.

3. Der BFH führt damit die im Urteil vom 02.08.2006, XI R 65/05 (BFH/NV 2006, 2345, BFH/PR 2007, 12) begonnene und mit Urteil vom 17.09.2008, IX R 70/06 (BFH/NV 2009, 65, BFH/PR 2009, 51) fortgesetzte Rechtsprechungsentwicklung weiter. An seiner in den Urteilen vom 09.12.1998, XI R 62/97 (BFH/NV 1999, 1002) und vom 09.05.2001, XI R 25/99 (BFH/NV 2001, 1627, BFH/PR 2001, 406) vertretenen Rechtsauffassung hält er insoweit nicht mehr fest.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.07.2009 – IX R 52/08

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