Leitsatz

1. Ein Polizeibeamter im Einsatz‐ und Streifendienst verfügt an seinem ihm zugeordneten Dienstsitz, den er arbeitstäglich aufsucht, um dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen, die er dienstrechtlich schuldet und die zu dem Berufsbild eines Polizeivollzugsbeamten gehören, über eine erste Tätigkeitsstätte.

2. Für die Frage der Zuordnung ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den dienst‐ oder arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden soll.

3. Entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage kommt es für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit nicht mehr an. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören.

4. Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 4, Abs. 4a, Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist seit 2004 als Polizeivollzugsbeamter beschäftigt. Er suchte arbeitstäglich seine Dienststelle auf und trat von dort seinen Einsatz- und Streifendienst an. Die Tätigkeiten in der Dienststelle beschränkten sich im Wesentlichen auf die Vor- und Nachbereitung dieser Tätigkeit. In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zu der Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er habe keine erste Tätigkeitsstätte, da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig sei. Das FA berücksichtigte Fahrtkosten lediglich i.H.d. Entfernungspauschale. Mehraufwendungen für Verpflegung setzte es nicht an. Das FG hat die Klage abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.4.2017, 2 K 168/16, Haufe-Index 10874700, EFG 2017, 980).

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

2. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig (auswärtige berufliche Tätigkeit), ist gemäß § 9 Abs. 4a Satz 1 EStG zur Abgeltung der ihm tatsächlich entstandenen, beruflich veranlassten Mehraufwendungen eine Verpflegungspauschale nach Maßgabe des Satzes 3 anzusetzen.

3. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) neu eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG definierte Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" tritt ab dem VZ 2014 an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte".

a) Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden.

b) Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Hierzu zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BT-Drucks. 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (z.B. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ein...

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