Leitsatz

1. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 28SGB XII) sind bedarfsabhängige Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern sowie ihnen gleichgestellten ausländischen Staatsangehörigen und damit dem Kindergeld gleichartige und nachrangige Leistungen.

2. Hat ein Sozialhilfeträger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 28SGB XII) für Eltern und Kinder erbracht, die in einem Haushalt zusammenleben und eine Bedarfsgemeinschaft bilden, so steht ihm ein Anspruch auf Erstattung des nachträglich festgesetzten Kindergeldes zu.

 

Normenkette

§ 74 Abs. 2 EStG, §§ 2, 9 AsylbLG, §§ 104 Abs. 1, Abs. 2, 107 Abs. 1 SGB X, §§ 2, 11 Abs. 1, 76 BSHG, §§ 19, 28 SGB II, § 28 SGB XII, § 218 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

K und ihr Ehemann lebten mit der zunächst noch minderjährigen Tochter (C) und zeitweise mit ihrem volljährigen Sohn (A) in Bedarfsgemeinschaft. Die volljährige Tochter (B) lebte in einer eigenen Wohnung. Jeweils ohne Anrechnung von Kindergeld bezog K von der beigeladenen Stadt Y für sich, ihren Ehemann und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) nach dem BSHG, später Leistungen nach dem AsylbLG (§ 2 AsylbLG i.V.m. § 28SGB XII), danach vom beigeladenen Jobcenter X für sich und C Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. X und Y machten gegenüber der Familienkasse Erstattungsansprüche gem. §§ 102 ff. SGB X i.V.m. § 74 Abs. 2 EStG für das von K für die Kinder (A, B, C) beantragte Kindergeld geltend. X und Y führten dazu teils schriftlich, teils telefonisch aus, dass K und ihre Kinder bis zum 29.2.2008 Leistun­gen nach dem AsylbLG und ab 1.3.2008 nach dem SGB II ohne Anrechnung von Kindergeld erhalten hätten. Die Familienkasse setzte gegenüber K Kindergeld fest, verfügte aber im Abrechnungsteil, dass aufgrund der von X und Y geltend gemachten Erstattungsansprüche an K nichts ausgezahlt werde, weil Ks Anspruch auf Kindergeld gem. § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 107 SGB X erfüllt sei. Das FG hat Ks Klage dagegen ganz überwiegend abgewiesen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 31.1.2012, 12 K 326/09, Haufe-Index 2945020, EFG 2012, 939).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Er bestätigte den Abrechnungsbescheid, dass nämlich K keinen Anspruch auf Kindergeld mehr hat, nachdem sie diverse vergleichbare Sozialleistungen erhalten hatte.

 

Hinweis

§ 104 SGB X regelt das Verhältnis verschiedener Leistungsträger untereinander und zu den Leistungsempfängern für die diversen Sozialleistungen, wie sie auch hier erbracht wurden. Zu entscheiden ist, welche öffentlich-rechtliche Kasse letztlich die finanzielle Last trägt. Beim Kindergeld ist das die Kindergeldkasse. Dementsprechend haben die anderen in Vorlage getretenen Kassen Erstattungsansprüche.

1. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ist nach § 104 Abs. 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistung durch einen anderen Leistungsträger selbst nicht leisten müsste. Dies gilt auch für Leistungen an Angehörige (§ 104 Abs. 2 SGB X). Weiter ist nach § 104 Abs. 1 SGB X entscheidend, dass die Leistungen gleichartig sind. Das sind sie, wenn sie für dieselben Zeiträume bestimmt sind und sich in der Leistungsart und der Zweckbestimmung entsprechen und zwischen ihnen ein Verhältnis von vorrangiger und nachrangiger Verpflichtung zur Leistung besteht (dazu BFH, Urteil vom 19.4.2012, III R 85/09, BFH/NV 2012, 1369, BFH/PR 2012, 315).

2. Hier hatten X und Y die Erstattungsansprüche. Sie hatten ihre Ansprüche hinreichend konkretisiert, nämlich den Zeitraum, für den die Sozialleistungen erbracht wurden, schriftlich und telefonisch benannt; ein (gesetzliches) Schriftformerfordernis besteht nicht. Die Erstattungsansprüche wurden auch fristgerecht nach § 104 SGB X (12 Monate) geltend gemacht. Kindergeld ist, soweit es der Förderung der Familie dient, eine im Vergleich zu den hier erbrachten Sozialleistungen gleichartige Leistung. Die Sozialleistungen wurden für denselben Zeitraum mit identischer Zweckbestimmung dem Hilfeempfänger als Einkommen geleistet. Dies gilt insbesondere auch für die Leistungen nach dem AsylbLG i.V.m. § 28 SGB XII. Schließlich waren die gewährten Sozialleistungen auch K zuzuordnen. Dies gilt sowohl für die im Haushalt der K lebenden Kinder (Bedarfsgemeinschaft) als auch für die Kinder mit eigenem Haushalt. Entscheidend ist bei § 104 SGB X die sozialrechtliche Zuweisung des Kindergeldes als Einkommen des Leistungsempfängers (BFH, Urteil vom 22.11.2012, III R 24/11, BFH/NV 2013, 458, BFH/PR 2013, 121); nur in Abzweigungsfällen gilt anderes. Hier waren schließlich auch die erbrachten Sozialleistungen gegenüber dem Kindergeld nachrangig. Denn die Beigeladenen (X, Y) hätten nicht leisten müssen, wenn die Familienkasse zuvor geleistet hät...

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