Rz. 6

Die allgemeine Regel für die Umstellung von nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen auf IFRS enthält IFRS 1.7. Der erstmals aufgestellte IFRS-Abschluss hat hinsichtlich der Bilanzierung 2 Grundsätzen zu genügen:

  • Stetigkeit der IFRS-Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden für alle im ersten IFRS-Abschluss dargestellten Berichtsperioden.

    Damit schließt IFRS 1 insbesondere einen – in der laufenden IFRS-Rechnungslegung unter bestimmten Voraussetzungen ansonsten möglichen[1] – Wechsel zwischen IFRS-Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden praktisch vollständig[2] aus.

  • Anwendung der – zum Zeitpunkt des ersten vollständig offengelegten IFRS-Abschlusses geltenden – IFRS-Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden.[3]

Klarstellend weist IFRS 1.8 Satz 1 darauf hin, dass keine unterschiedlichen Versionen, z. B. zu unterschiedlichen Zeitpunkten gültige Versionen, eines IAS/IFRS-Standards angewendet werden dürfen. Sofern ein neuer IAS/IFRS-Standard zum Zeitpunkt des ersten vollständig offen gelegten IFRS-Abschlusses noch nicht verpflichtend ist, aber von den bereits nach IFRS rechnungslegenden Unternehmen früher angewendet werden darf, so steht dieses Wahlrecht nach IFRS 1.8 Satz 2 auch dem erstmals nach IFRS bilanzierenden Unternehmen zu.

 

Rz. 7

 
Praxis-Beispiel

Ein Unternehmen erstellt und veröffentlicht bei einem mit dem Kalenderjahr identischen Wirtschaftsjahr zum 31.12.2022 erstmals einen vollständigen IFRS-Abschluss.

Das Unternehmen stellt eine IFRS-Eröffnungsbilanz zum 1.1.2021 auf Basis der IFRS auf, die in der Periode gelten oder angewendet werden dürfen, welche am 31.12.2022 endet. Die IFRS-Eröffnungsbilanz und die in dieser verwendeten IFRS-Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sind Ausgangspunkt für die weitere IFRS-Rechnungslegung. Eine Änderung der in der IFRS-Eröffnungsbilanz gewählten sowie der ergänzend hierzu zum Abschlussstichtag 31.12.2021 gewählten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ist bis 31.12.2022 grundsätzlich[4] nicht möglich.

Der zum Abschlussstichtag 31.12.2022 veröffentlichte IFRS-Abschluss enthält die Bilanz zum Stichtag 31.12.2022 sowie die GuV-Rechnung und das sonstige Gesamtergebnis, die Eigenkapitalveränderungsrechnung, die Kapitalflussrechnung und den Anhang für die am 31.12.2022 endende Berichtsperiode, einschließlich der Vergleichszahlen für 2021.

Darüber hinaus ist auch die per 1.1.2021 aufgestellte IFRS-Eröffnungsbilanz im ersten vollständigen IFRS-Abschluss offenzulegen (IFRS 1.21).

 

Rz. 8

Als Konsequenz aus der erstmaligen Anwendung von IFRS 1 müssen zumindest für ein Geschäftsjahr (im Beispiel 1.1.2021–31.12.2021) sowohl die Abschlussdaten für den IFRS-Abschluss als auch die für den HGB-Abschluss ermittelt und parallel offengelegt werden. Dennoch müssen sich die kapitalmarktorientierten Unternehmen voraussichtlich dauerhaft auf die parallele Ermittlung von IFRS- und HGB-Werte einstellen. Die Relevanz des handelsrechtlichen (Jahres-)Abschlusses liegt weiterhin auch darin begründet, dass die Steuerbilanz auf Basis des nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufgestellten HGB-Abschlusses abzuleiten ist.[5]

 

Rz. 9

Aus der generellen Anwendung der IFRS-Bilanzierungsmethoden folgt, dass in der IFRS-Eröffnungsbilanz die Abschlussposten (grundsätzlich) so auszuweisen sind, als ob das Unternehmen schon immer die IFRS-Standards und die auf derselben Ebene stehenden IFRIC-Interpretationen angewendet hätte, die zum Zeitpunkt des erstmals vollständig offengelegten IFRS-Abschlusses (i. d. R. IFRS-Standards und IFRIC-Interpretationen, die in dem auf die Erstellung der IFRS-Eröffnungsbilanz folgenden Jahr) gelten bzw. anwendbar sind. Diesen Grundsatz bezeichnet man als die retrospektive Anwendung der IFRS-Rechnungslegung. Hiervon existieren allerdings eine Reihe nicht unbedeutender Ausnahmen.[6]

 

Rz. 10

Gem. IFRS 1.11 Satz 3 sind die Anpassungen, die sich aus der retrospektiven Anwendung der IFRS zum Erstanwendungszeitpunkt ergeben, direkt in den Gewinnrücklagen (oder, falls angemessen, in einer anderen Eigenkapitalkategorie) zu erfassen. Die Erfassung in einer anderen Eigenkapitalkategorie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich die Anpassungen auf Sachverhalte beziehen, welche über das sonstige Gesamtergebnis aus – bei Eintritt bestimmter Bedingungen – zu reklassifizierenden Posten[7] zu erfassen gewesen wären und die nicht gleichzeitig zu einer Verrechnung mit den Gewinnrücklagen geführt hätten.

 

Rz. 11

 
Praxis-Beispiel

Nach den bisherigen landesrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften wurden die nunmehr als erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewerteten, als finanzielle Vermögenswerte klassifizierten festverzinslichen Schuldverschreibungen zu den Anschaffungskosten i. H. v. 9 Mio. EUR bewertet. Am Stichtag der Eröffnungsbilanz (1.1.2021) beträgt der beizulegende Zeitwert dieser finanziellen Vermögenswerte 10 Mio. EUR. Zu diesem Zeitpunkt sind die finanziellen Vermögenswerte weder wertgemindert, noch hat sich deren Ausfallrisiko gegenüber demjenigen zum Anschaffungszeitpunkt signifikant ...

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