Leitsatz

Die für die Buchführungspflicht maßgebliche Umsatzgrenze i.S.d. § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist unter Einbeziehung der nicht umsatzsteuerbaren Auslandsumsätze zu ermitteln.

 

Normenkette

§ 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der seinen Gewinn nach § 8 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Im Streitjahr erzielte er umsatzsteuerpflichtige Umsätze i.H.v. 2 787,57 EUR und nicht umsatzsteuerbare Auslandsumsätze i.H.v. 563 611,45 EUR.

Das FA teilte dem Kläger mit, dass er aufgrund der Höhe seiner Umsätze nach § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO verpflichtet sei, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen. Die gegen die entsprechende Aufforderung gerichtete Klage wies das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.12.2007, 8 K 8132/07, Haufe-Index 2014860, StuB 2009, 74) ab.

 

Entscheidung

Der BFH wies die dagegen erhobene Revision des Klägers als unbegründet zurück.

 

Hinweis

Im Streitfall geht es um die Frage, ob in die Umsatzgrenze des § 141 Abs. 1 S. 1 AO auch nicht steuerbare Auslandsumsätze einzubeziehen sind.

1. Nach dem Wortlaut des § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO in der für das Streitjahr geltenden Fassung ist ein gewerblicher Unternehmer, der nach den Feststellungen der Finanzbehörde für den einzelnen Betrieb Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nrn. 8 bis 10 UStG, von mehr als 350 000 EUR im Kalenderjahr gehabt hat, auch dann verpflichtet, für diesen Betrieb Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen, wenn sich eine Buchführungspflicht nicht aus § 140 AO ergibt. Diese Umsatzgrenze, die mit Wirkung ab dem VZ 2007 auf 500 000 EUR erhöht wurde, wirft die Frage auf, ob auch nicht umsatzsteuerbare Auslandsumsätze zu berücksichtigen sind.

2. Diese Auslegungsfrage beantwortet nunmehr der BFH unter Ausschöpfung sowohl systematischer als auch teleologischer Gesichtspunkte mit einem knappen "Ja".

Er stellt insoweit zunächst klar, dass der Wortlaut des § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO offen und damit auslegungsfähig und -bedürftig ist. Mit Blick auf den dort aufgenommenen Verweis auf § 4 Nrn. 8 bis 10 UStG ergibt sich allerdings aus systematischer Sicht, dass der in § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO verwendete Umsatzbegriff an die Regelungen des UStG anknüpft, wo aber der Umsatzbegriff nicht allgemein definiert ist und auch nicht steuerbare Umsätze als Umsätze, welche aber eben nicht der USt unterliegen, behandelt werden. Soweit in § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO Umsätze nach § 4 Nrn. 8 bis 10 UStG ausgenommen werden, beruht dies allein auf der Übernahme des Wortlauts des § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a RAO.

Maßgeblich stellt der BFH auf den mit § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO verfolgten Gesetzeszweck ab, welcher die "richtige Gewinnermittlung für die Einkommensbesteuerung" im Auge hat. Da im Rahmen der Gewinnermittlung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen auch Umsätze als Betriebseinnahmen zu berücksichtigen sind, die nicht umsatzsteuerbar sind, ist es gerechtfertigt, bei der Prüfung der Umsatzgrenze des § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO prinzipiell von den gesamten Umsätzen auszugehen, die sich ertragsteuerrechtlich auswirken. Dazu aber gehören auch nicht der USt unterliegende Auslandsumsätze.

3. Zwar mag der Streitfall ungewöhnlich sein, er lehrt jedoch eines: Da die Verpflichtung zur Führung von Büchern und Erstellung von Abschlüssen nach § 141 Abs. 2 S. 1 AO vom Beginn des Wirtschaftsjahrs an zu erfüllen ist, das auf die Bekanntgabe der Mitteilung folgt, durch die Finanzbehörde auf den Beginn dieser Verpflichtung hingewiesen hat, bleibt dem Steuerpflichtigen zur Vermeidung dieser Verpflichtungen nichts anderes übrig als bereits im Vorfeld penibel auf Einhaltung der Umsatzgrenzen zu achten. Dabei hat er – mit Ausnahme der explizit ausgenommenen steuerfreien Umsätze nach § 4 Nrn. 8 bis 10 AO – auch nicht steuerbare Umsätze zu berücksichtigen. Hier hilft ein Blick auf die Ertragsteuer: Alles, was sich dort umsatzmäßig auswirkt, ist grundsätzlich auch im Rahmen des § 141 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 07.10.2009 – II R 23/08

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