Leitsatz

Wird ein Investitionszulagenbescheid zuungunsten des Anspruchsberechtigten geändert und der Bescheid für das Folgejahr zu seinen Gunsten, weil die Zulage – wegen einer durch die Muttergesellschaft geleisteten Anzahlung – rechtsirrig teilweise für das Vorjahr beantragt wurde, so sind die Zinsen zu erlassen, soweit sie nach dem Zeitpunkt der Festsetzung der geminderten Zulage für das Folgejahr entstanden sind.

 

Normenkette

§ 227, § 238 AO, § 8 InvZulG 1991, § 101 S. 1, § 102 FGO

 

Sachverhalt

Eine AG hatte 1990 einen Vertrag über die Lieferung von zwei Schiffen abgeschlossen und eine Anzahlung geleistet. Ihre Tochtergesellschaft, eine GmbH, trat 1991 in den Vertrag ein und erstattete der AG die Anzahlung. Das FA setzte im Oktober 1991 antragsgemäß zugunsten der GmbH eine Investitionszulage für die im Wirtschaftsjahr 1990 tatsächlich von der AG geleistete Anzahlung fest. Im April 1992 wurde der GmbH die Zulage für 1991 auf die Anschaffungskosten der Schiffe gewährt, wobei die Bemessungsgrundlage um die bereits im Bescheid für 1990 berücksichtigte Anzahlung gekürzt wurde.

Aufgrund einer Außenprüfung wurden die Investi­tionszulagenbescheide für 1990 und 1991 im November 1994 geändert und der Rückforderungsbetrag für 1990 mit dem Erhöhungsbetrag für 1991 verrechnet. Mit dem geänderten Bescheid für 1990 setzte das FA Zinsen fest. Die Zinsen für Oktober 1991 bis April 1992 akzeptierte die Klägerin, ihr Antrag auf Erlass der danach entstandenen Zinsen wurde abgelehnt. Die Klage hatte keinen Erfolg (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15.12.2005, 3 K 474/04, Haufe-Index 1860314).

 

Entscheidung

Der BFH verpflichtete das FA, die nach April 1992 entstandenen Zinsen zu erlassen.

 

Hinweis

1. Investitionszulage kann bereits vor Abschluss einer Investition für Anzahlungen auf Anschaffungskosten beantragt werden, im Folgejahr ist dann die Zulage auf die Anschaffungskosten entsprechend zu mindern. Wenn das FA später feststellt, dass es die Zulage auf eine Anzahlung zu Unrecht festgesetzt hat, ändert es die Bescheide: Die Zulage auf die Anzahlung entfällt und die Zulage für das Folgejahr erhöht sich.

2. Die Investitionszulage unterliegt nicht der Vollverzinsung nach § 233a AO. Rückforderungen sind zu verzinsen, nicht aber Guthaben. Der Zinsnachteil fällt daher umso höher aus, je länger sich die Korrektur der Bescheide für das Jahr der (vermeintlichen) Anzahlung und für das Jahr des Abschlusses der Investition hinauszögert.

3. Der Erlass von Zinsen ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüft wird. Das FA wird lediglich bei einer sog. Ermessensreduzierung auf null zum Erlass verurteilt.

4. Der Erlass von Zinsen ist äußerst selten. Verlagerungen in einen anderen Zeitraum führen aber sowohl unter der Vollverzinsung als auch außerhalb ihres Anwendungsbereichs zu Billigkeitsmaßnahmen, wenn der Steuerpflichtige keinen Liquiditätsvorteil und der Steuergläubiger keinen Liquiditätsnachteil hatte. Denn die Verzinsung hat keinen Strafcharakter, sondern dient der Abschöpfung eines typischerweise entstandenen wirtschaftlichen Vorteils aus der Nutzung des Kapitals. Einen Zinserlass mangels Liquiditätsvorteil hat der BFH sogar bei einer Umqualifizierung gebilligt, durch die sich die KSt erhöhte und die KESt minderte, obwohl dadurch der Steuerschuldner wechselte (BFH, Beschluss vom 28.07.2009, I B 42/09, BFH/NV 2010, 5).

5. Wird eine Zulage zu Unrecht auf Anzahlungen gewährt, hat der Investor dadurch nur einen Liquiditätsvorteil bis zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals die Zulage auf die gesamten (übrigen) Anschaffungskosten festgesetzt wird. Denn bei zutreffender Antragstellung wäre ihm dann auch die auf die "Anzahlungen" entfallende und zu Unrecht für das Vorjahr festgesetzte Zulage gewährt worden. Die Zinsen entstehen dagegen von Gesetzes wegen so, als ob der Investor die Zulage "doppelt" erhalten hätte, nämlich sowohl auf die Anzahlungen als auch im Folgejahr auf die ungeminderten Anschaffungskosten.

6. Fiktive Sachverhalte sind bei der Prüfung der Liquiditätsvorteile außer Acht zu lassen. Dies betrifft aber nicht Fälle, in denen Änderungen für zwei aufeinander folgende Jahre zusammenhängen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.08.2010, III R 80/07BFH, Urteil vom 26.08.2010 – III R 80/07 (NV)

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