Leitsatz

1. Die in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 verwendete Begriffsdefinition für KMU ist europarechtlich zu interpretieren (Bestätigung des Senatsurteils vom 3.7.2014, III R 30/11, BFHE 246, 477, BStBl II 2015, 157).

2. Für die Auslegung des in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung vom 6.5.2003 verwendeten Begriffes der Risikokapitalgesellschaft ist im Einklang mit dem europarechtlichen Verständnis des Tatbestandsmerkmals der KMU auf die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU (ABlEU C 194/2 vom 18.8.2006) abzustellen.

3. Der Begriff des Risikokapitals erfordert in positiver Hinsicht besonders riskante Investitionen in einer frühen Wachstumsphase des Unternehmens (sog. Seed-, Start-up- und Expansionsphase) und grenzt sich in negativer Hinsicht ab von dem Erwerb einer zumindest beherrschenden Beteiligung an einem Unternehmen durch Übernahme von Aktiva oder Geschäftsteilen von den bisherigen Anteilseignern durch Verhandlungen oder im Wege eines Übernahmeangebots (sog. Buy-out).

 

Normenkette

§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007, Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a, Abs. 3 Unterabs. 2 EGEmpf 361/2003 Anh. 1

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine 2002 gegründete GmbH, deren vollständig von der Y gehaltenes Stammkapital im Juli 2007 im Wege der Barkapitalerhöhung von 25.000 EUR auf 5 Mio. EUR erhöht wurde. Mit Unternehmenskaufvertrag vom August 2007 erwarb sie den gesamten Geschäftsbetrieb der 1993 gegründeten X. Zugleich änderte sie ihre Firma sowie ihren Gegenstand entsprechend. Daneben wurde der Anteil der Y am Stammkapital der Klägerin auf 90 % reduziert, indem Y dem B einen Geschäftsanteil in Höhe von 10 % übertrug. B hatte dem bisherigen Management der X angehört und sollte als Geschäftsführer tätig werden. Die Klägerin hatte in der Folge 215 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von ca. 32,62 Mio. EUR.

Die Y ist auf dem Gebiet der Eigenkapitalfinanzierung nicht börsennotierter mittelständischer Unternehmen tätig und war zum damaligen Zeitpunkt an 25 Unternehmen mit unterschiedlicher Ausrichtung beteiligt. Gesellschafter der Y sind u.a. drei Banken.

Die Klägerin beantragte für verschiedene betrieb­liche Investitionen, die der Erweiterung der Pro­duktionskapazitäten dienten, die Gewährung einer Investitionszulage in Höhe von 12,5 % für das Kalenderjahr 2008. Im Zuge der Durchführung einer betriebsnahen Veranlagung begehrte die Klägerin den erhöhten Fördersatz von 25 %.

Das FA ging von einer niedrigeren Bemessungsgrundlage aus und stufte die Klägerin und die Y als verbundene Unternehmen ein; dadurch waren die Grenzwerte für die Einordnung als KMU überschritten.

Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 15.8.2013, 1 K 1603/10, Haufe-Index 6628404) wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab.

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin war unbegründet: Das Unternehmen befand sich nicht in der Seed- oder Start-up-Phase, weil es 1993 gegründet und erst 2007 von der Klägerin übernommen wurde; außerdem hielt die Y langfristige Beteiligungen an etablierten mittelständischen Unternehmen.

 

Hinweis

1. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 2007 erhöhte sich die Investitionszulage, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums in einem begünstigten Betrieb verblieben, der im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens ein KMU war.

2. Das InvZulG 2007 ist eine Beihilfe, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EGV freigestellt. Die Definition der KMU ist europarechtlich zu interpretieren (BFH, Urteil vom 3.7.2014, III R 30/11, BFH/NV 2014, 2002; BFH/PR 2015, 32). Die Definition der KMU ist eng auszulegen und darf nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen werden (EuGH, Urteil vom 27.2.2014, C-110/13HaTeFo GmbH, ECLI:EU:C:2014:114).

3. Die Mitarbeiter, Umsätze und Bilanzsummen verbundener Unternehmen werden zusammengerechnet. Nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung liegt ein verbundenes Unternehmen u.a. dann vor, wenn ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte eines anderen Unternehmens hält. Diese Voraussetzung war im Streitfall erfüllt, da die Y zu 90 % an der Klägerin beteiligt war.

4. Von dieser Regelung ausgenommen sind Investoren, von denen vermutet wird, dass sie sich unbeschadet ihrer Rechte nicht direkt oder indirekt in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens einmischen. Zu diesen privilegierten Investoren gehören neben Universitäten und kleinen Gebietskörperschaften auch staatliche Beteiligungsgesellschaften, Risikokapitalgesellschaften und "Business Angels".

5. Der Begriff der Risikokapitalgesellschaft ist in der KMU‐Empfehlung nicht definiert. Die Auslegung richtet sich nach den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU (ABlEU C 194/2 vom 18.8.2006) und nicht nach dem angloamerikanischen Verständnis des Begriffs "Venture ­Capital" oder nationalen...

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