Rz. 40

Stellt die Hauptversammlung den Jahresabschluss fest,[1] was in der Praxis die Ausnahme darstellt, ist sie im Rahmen der Ergebnisverwendung nur dann zu einer Dotierung der Gewinnrücklagen berechtigt, wenn dies durch eine Gesetzesvorschrift oder eine Satzungsbestimmung legitimiert ist.[2] Die Grundlage eines solchen Hauptversammlungsbeschlusses bildet der Jahresüberschuss.[3] Liegt eine Satzungsbestimmung zur Dotierung der anderen Gewinnrücklagen durch die Hauptversammlung nicht vor, darf die Hauptversammlung bei der Feststellung des Jahresabschlusses lediglich Beträge in die gesetzliche Rücklage,[4] die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen[5] oder die Rücklage nach § 232 AktG einstellen. Ziel dieser Bestimmungen ist es, die Minderheit der Aktionäre gegen eine "Aushungerung" im Wege willkürlicher Thesaurierungen durch die Hauptversammlungsmehrheit zu schützen.[6] Die Möglichkeit zur Bildung von anderen Gewinnrücklagen im Rahmen der Bilanzgewinnverwendung[7] ist hiervon unberührt (vgl. dazu Rz. 49). In diesem Fall bildet der Bilanzgewinn die Grundlage des Gewinnverwendungsbeschlusses der Hauptversammlung.[8]

 

Rz. 41

In der Satzung kann für den Fall der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung eindeutig festgelegt werden, in welcher Höhe die anderen Gewinnrücklagen zu dotieren sind.[9] Aufgrund einer solchen Satzungsbestimmung darf jedoch höchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden.[10] Dabei sind Beträge, die in die gesetzliche Rücklage einzustellen sind, sowie ein etwaiger Verlustvortrag vorab vom Jahresüberschuss abzuziehen.[11] Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass für eine Dotierung der anderen Gewinnrücklagen nur der tatsächlich verfügbare Teil des Jahresüberschusses zur Verfügung steht.[12]

[2] Vgl. § 173 Abs. 2 Satz 2 AktG. Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung erfolgt nur, wenn der Aufsichtsrat den Jahresabschluss nicht gebilligt hat oder wenn der Vorstand und der Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen (vgl. § 173 Abs. 1 Satz 1 AktG).
[3] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen – Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG, PublG nach den Vorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes, Teilband 4, 6. Aufl. 1997, § 58 AktG Rz. 13.
[4] Vgl. § 150 AktG.
[6] Vgl. Fleischer, in Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2020, § 58 AktG Rz. 14.
[8] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen – Kommentar zum HGB, AktG, GmbHG, PublG nach den Vorschriften des Bilanzrichtlinien-Gesetzes, Teilband 4, 6. Aufl. 1997, § 58 AktG Rz. 31.
[12] Die Ausgangsgröße für die Rücklagendotierung nach § 58 AktG wird indessen nicht durch die Bildung einer Kapitalrücklage gemindert.

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