Tritt der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ein, so hat nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG der Nacherbe seinen Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Das Erbschaftsteuerrecht weicht damit vom Zivilrecht ab, bei dem der Nacherbe vom Erblasser erbt.

Ebenso wie für den Vorerben ist beim Nacherben ein Erwerb durch Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gegeben.

Die anzuwendende Steuerklasse (§ 15 ErbStG) richtet sich nach dem Verhältnis zwischen dem Nacherben zum Vorerben. Von dieser Steuerklasse hängen dann der infrage kommende persönliche Freibetrag[1] und der Steuersatz[2] ab.

 
Hinweis

Mehrfacher Erwerb

Die Vorschrift des § 27 ErbStG (Mehrfacher Erwerb desselben Vermögens) findet hier für den Nacherben Anwendung.[3]

 
Praxis-Beispiel

Besteuerung des Nacherben

Die verwitwete Mutter M ordnet in ihrem Testament an, dass zunächst der Sohn S als befreiter Vorerbe deren Nachlass (gemeiner Wert des Nacherbschaftsvermögens 600.000 EUR) erhalten soll. Mit dessen Tod soll die Erbschaft auf die Enkelin E (Tochter des S) als Nacherbin übergehen. M verstirbt am 15.3.2015. 12 Jahre nach dem Tod von M verstirbt auch S. Der gemeine Wert des Nacherbschaftsvermögens beträgt zum Zeitpunkt des Todes von S noch 550.000 EUR. In der Minderung ist auch die Entrichtung der von S geschuldeten Erbschaftsteuer enthalten.[4]

Lösung:

Der Tod von M führt dazu, dass S einen Erwerb von Todes wegen[5] verwirklicht. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags i. H. v. 400.000 EUR[6] hat S einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 200.000 EUR zu versteuern. Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 11 %[7] eine Erbschaftsteuer i. H. v. 22.000 EUR.

Mit dem Tod von S tritt der Nacherbfall ein. Die Nacherbin T ist zwar zivilrechtlich Erbin der M, erbschaftsteuerlich hat sie nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ihren Erwerb aber vom Vorerben S stammend zu versteuern. Als Tochter von S ist für T die Steuerklasse I maßgebend.[8] Der steuerpflichtige Erwerb von T beträgt demnach 150.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 550.000 abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i. H. v. 400.000 EUR). Die Erbschaftsteuer beläuft sich bei einem Steuersatz von 11 %[9] auf 16.500 EUR.

§ 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG eröffnet dem Nacherben die Möglichkeit, seiner Besteuerung das Verhältnis zum Erblasser zugrunde legen zu lassen. Hierzu hat der Nacherbe einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Ob ein solcher Antrag Sinn macht, hängt davon ab, ob der Nacherbe zum Erblasser in einem günstigeren Verwandtschaftsverhältnis steht als zum Vorerben.

In den folgenden Fällen führt der Antrag zu einer niedrigen Besteuerung[10]:

 
Erblasser Vorerbe Nacherbe Grund
Ehemann Ehefrau Bruder des Ehemannes StKl. II anstatt StKl. III
Vater Kind A Kind B StKl. I anstatt StKl. II

Einer besonderen Begründung bedarf es für den Antrag nicht. Zudem kann dieser bis zur Rechtskraft der Veranlagung gestellt werden.[11]

 
Praxis-Beispiel

Wirkungen des Antrags nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG

Der verwitwete Vater V ordnet in seinem Testament an, dass Tochter T befreite Vorerbin sein soll (der gemeine Wert des Nacherbschaftsvermögens beträgt 870.000 EUR). Als Nacherben setzt V seinen Sohn S ein. Der Nacherbfall soll mit dem Tod von T eintreten. 11 Jahre nach dem Tod von V (1.12.2023) verstirbt auch T. Der gemeine Wert des Nacherbschaftsvermögens beträgt zum Zeitpunkt des Todes von T noch 840.000 EUR.

Lösung:

Der Tod des V führt dazu, dass T einen Erwerb von Todes wegen[12] verwirklicht. Nach Abzug des persönlichen Freibetrags i. H. v. 400.000 EUR[13] hat T einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 470.000 EUR zu versteuern. Aus diesem ergibt sich bei einem Steuersatz von 15 %[14] eine Erbschaftsteuer i. H. v. 70.500 EUR.

Mit dem Tod der T tritt der Nacherbfall ein. Der Nacherbe S ist zwar zivilrechtlich Erbe des V, erbschaftsteuerlich hat er aber nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ErbStG seinen Erwerb von Vorerbin T stammend zu versteuern. Als Bruder von T ist für S die Steuerklasse II anzuwenden.[15] Der persönliche Freibetrag beläuft sich somit auf 20.000 EUR.[16] Der steuerpflichtige Erwerb von S beträgt demnach 820.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 840.000 abzüglich persönlicher Freibetrag i. H. v. 20.000 EUR). Die Erbschaftsteuer beläuft sich bei einem Steuersatz von 30 %[17] auf 246.000 EUR.

Hier ist es sinnvoll, dass S den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG stellt, damit statt dem Verhältnis zur Schwester das Verhältnis zu seinem Vater zugrunde gelegt wird. Denn im Verhältnis zur Schwester kann er nur einen Freibetrag i. H. v. 20.000 EUR beanspruchen, während ihm hinsichtlich des Vaters ein Freibetrag i. H. v. 400.000 EUR zusteht.[18] Weitere Folge des Antrags ist, dass sich für S auch der Steuersatz nach § 19 Abs. 1 ErbStG reduziert (von 30 % auf 15 %).

Damit verringert sich die Erbschaftsteuer für S auf 66.000 EUR (gemeiner Wert Nachlass 840.000 abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG i. H. v. 400.000 EUR ergibt einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 440.000 EUR). Hierauf ist dann der Steuersatz von...

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