Der Vorerbe ist im Erbschaftsteuerrecht, im Gleichklang mit dem Zivilrecht, Erbe des Erblassers. Und dies in zulässiger Weise, so der BFH.[1] Besteuerungstatbestand des Vermögensübergangs auf seine Person ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.[2] Zeitpunkt der Steuerentstehung ist der Vorerbfall.[3]

Keine Berücksichtigung bei der Besteuerung des Vorerben finden die durch die angeordnete Nacherbschaft auferlegten Beschwerungen. Diese mindern also nicht den Wert seines Erwerbs.[4] Er wird somit als Vollerbe besteuert.[5]

Der Vorerbe ist Schuldner der Erbschaftsteuer.[6] Diese kann er als seine eigene Steuerschuld nicht abziehen.[7]

Nach § 20 Abs. 4 ErbStG hat der Vorerbe die durch die Vorerbschaft entstandene Steuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten.[8] Damit trifft die steuerliche Belastung den Nacherben, da sich das Vorerbschaftsvermögen entsprechend verringert.

Nimmt der Vorerbe Zahlungen zur Ablösung des Nacherbenrechts vor, dann sind diese nicht als Nachlassverbindlichkeiten bei dem Erwerb des Vorerben von Todes wegen abzugsfähig.[9]

Die Besteuerung der Vorerben ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht ist nach Auffassung des BFH[10] verfassungsgemäß.

 
Praxis-Beispiel

Vorerbschaft

Der Erblasser EM hat seine Ehefrau EF als Vorerbin eingesetzt und seine Tochter T als Nacherbin. Die EF hat die X zur Alleinerbin eingesetzt. EM verstirbt und es tritt der Vorerbfall ein. 3 Jahre danach verstirbt auch EF, was zum Nacherbfall führt. Der eingesetzte Testamentsvollstrecker reichte die Erbschaftsteuererklärung beim Finanzamt ein. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer gegen die X als Alleinerbin der Vorerbin EF fest.

Lösung (des BFH)

Die Erbschaftsteuer für den Vorerbfall ist nach dem Tod des Vorerben regelmäßig gegen den Nacherben und nur ausnahmsweise gegen den Erben des Vorerben festzusetzen.[11]

Im Beispielsfall hat somit nicht X als Erbin der EF die Erbschaftsteuer (für den Vorerbfall) zu zahlen, sondern die Nacherbin T.

[2] S. auch Gottschalk, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 6 ErbStG Rz. 32.2, Stand: 10. Juli 2023
[5] Gottschalk, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 6 ErbStG Rz. 32.1, Stand: 10. Juli 2023; Meincke/Hannes/Holtz, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, 18. Aufl. 2021, § 6, Rz. 4.
[8] Gottschalk, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 6 ErbStG Rz. 35, Stand: 10. Juli 2023.

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