Die mit dem Vermächtnis belastete Person (Erbe oder beim Untervermächtnis der Hauptvermächtnisnehmer) kann die Vermächtnisschuld als Erblasserschuld abziehen.[1] Dies gilt aber nicht beim Vorausvermächtnis.[2]

Abzugsfähig ist die Vermächtnisschuld nicht erst dann, wenn der Vermächtnisnehmer die Erfüllung verlangt, sondern schon im Zeitpunkt des Erbfalls.

 
Praxis-Beispiel

Zeitpunkt des Erbfalls

Vater V hat seine Tochter T zur Alleinerbin eingesetzt. Für die Lebensgefährtin L hat V ein Vermächtnis in Form eines Geldbetrages i. H. v. 250.000 EUR ausgesetzt. V verstirbt am 1.11.2021. Am 15.1.2024 erfüllt T als Erbin das Vermächtnis. Der Nachlass beläuft sich auf 1.130.000 EUR.

Lösung

Das Vermächtnis ist bei T mit dem Zeitpunkt des Erbfalls (1.11.2018) abzugsfähig. Es ergibt sich für T die folgende Besteuerung:

 
Vermögensanfall 1.130.000 EUR
abzüglich Vermächtnislast[3] ./. 250.000 EUR
abzüglich Beerdigungskostenpauschale[4] ./. 10.300 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[5] ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 469.700 EUR
Erbschaftsteuer (15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 70.455 EUR

T hat hier Erbschaftsteuer i. H. v. 70.455 EUR zu entrichten.

Nimmt der Beschwerte (in der Regel der Erbe) aber eine höhere Leistung an den Vermächtnisnehmer vor, als er eigentlich laut Verfügung des Erblassers schuldet, dann liegt insoweit eine freigebige Zuwendung vor. Diese hat der Vermächtnisnehmer der Besteuerung zu unterwerfen. Ein Abzug bei dem Erben scheidet jedoch aus.[6]

 
Praxis-Beispiel

Leistung an den Vermächtnisnehmer übersteigt die Verfügung des Erblassers

Vater V hat seine Tochter T zur Alleinerbin eingesetzt. Für die Cousine C hat V ein Vermächtnis in Form eines Geldbetrages i. H. v. 290.000 EUR ausgesetzt. V verstirbt am 1.9.2023. Drei Wochen später erfüllt T als Erbin das Vermächtnis; wobei sie anstatt des angeordneten Vermächtnisses in Höhe von 290.000 EUR der C 350.000 EUR leistet. Der Nachlass beläuft sich auf 1.130.000 EUR.

Lösung

a) Besteuerung des Erben

Das Vermächtnis ist bei T abzugsfähig. Ein Abzug ist aber nur in Höhe von 290.000 EUR möglich. Es ergibt sich für T die folgende Besteuerung:

 
Vermögensanfall 1.130.000 EUR
abzüglich Vermächtnislast[7] ./. 290.000 EUR
abzüglich Beerdigungskostenpauschale[8] ./. 10.300 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[9] ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 429.700 EUR
Erbschaftsteuer (15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 64.455 EUR

T hat hier Erbschaftsteuer i. H. v. 64.455 EUR zu entrichten.

b) Besteuerung der C (als Vermächtnisnehmerin)

Das Vermächtnis unterliegt bei C der Erbschaftsteuer – naturgemäß aber nur in Höhe von 290.000 EUR. Es ergibt sich für C die folgende Besteuerung:

 
Vermögensanfall 290.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[10] ./. 20.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 270.000 EUR
Erbschaftsteuer (30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 81.000 EUR

C hat hier Erbschaftsteuer i. H. v. 81.000 EUR zu entrichten.

d) Besteuerung der C (als Beschenkte)

Der zusätzliche gezahlte Betrag in Höhe von 60.000 EUR unterliegt bei C der Schenkungsteuer – dies im Verhältnis zu T. Es ergibt sich für C die folgende Besteuerung:

 
Zuwendung 60.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[11] ./. 20.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 40.000 EUR
Schenkungsteuer (30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 12.000 EUR

C hat hier Schenkungsteuer i. H. v. 12.000 EUR zu entrichten.

[4] § Abs. 5 Nr. 3 ErbStG.
[6] Loose, Erbschaftsteuer, 5. Aufl. 2022, B46.
[8] § Abs. 5 Nr. 3 ErbStG.
[10] § 16 Abs. 1 StKl. III ErbStG.
[11] § 16 Abs. 1 StKl. III ErbStG.

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