In § 19 Abs. 2 ErbStG ist ein Progressionsvorbehalt vorgesehen. Dieser kommt dann zur Anwendung, wenn ein Teil des Vermögens aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens der deutschen Besteuerung entzogen ist.

Die Regelung des § 19 Abs. 2 ErbStG gilt nur dann, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen die Freistellungsmethode vorsieht. Dies ist bei den Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz teilweise der Fall. Enthält ein Doppelbesteuerungsabkommen das Anrechnungsverfahren, so ist der Progressionsvorbehalt des § 19 Abs. 2 ErbStG ohne Bedeutung.

Mit der Regelung des § 19 Abs. 2 ErbStG soll erreicht werden, dass es durch die Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu keinem zusätzlichen Progressionsvorteil des Erwerbers kommt. Die Vorschrift ist vergleichbar dem Progressionsvorbehalt des § 32b EStG.

Für die Berechnung des Steuersatzes nach § 19 Abs. 2 ErbStG gilt: Die Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer ist nach dem Steuersatz zu erheben, der für den gesamten Erwerb (d. h. einschließlich des freigestellten ausländischen Vermögens) gelten würde.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1 zur Freistellungsmethode

Erblasser E mit Wohnsitz in Deutschland hat seine Tochter T, die ebenfalls in Deutschland lebt, zur Alleinerbin eingesetzt. E verstirbt am 1.3.202024. Der Nachlass von Erblasser E besteht zum einen aus deutschem Vermögen (gemeiner Wert 650.000 EUR) sowie aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens freigestelltem Vermögen i. H. v. 150.000 EUR.

Lösung

N ist in Deutschland unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig, da sowohl Erblasser E als auch sie selbst in Deutschland ihren Wohnsitz haben.[1] Demzufolge unterliegt grundsätzlich das gesamte Vermögen von E der deutschen Besteuerung. Ein Teil des Vermögens ist aber durch das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Besteuerung freigestellt.

Der steuerpflichtige Erwerb für Tochter T berechnet sich daher folgendermaßen:

 
Vermögensanfall (in Deutschland) 650.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[2] ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb[3] 250.000 EUR

Auf einen steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 250.000 EUR würde aufgrund des § 19 Abs. 1 ErbStG ein Steuersatz i. H. v. 11 % anzusetzen sein. Aufgrund des Progressionsvorbehalts des § 19 Abs. 2 ErbStG ist aber der Steuersatz anzuwenden, der sich bei einem Erwerb einschließlich des ausländischem Vermögens ergeben würde, d. h. der steuerpflichtige Erwerb i. H. v. 250.000 EUR zuzüglich des ausländischen Vermögens i. H. v. 150.000 EUR = 400.000 EUR.

Bei einem Gesamterwerb i. H. v. 400.000 EUR ist ein Steuersatz von 15 % aus der Tabelle des § 19 Abs. 1 ErbStG zu entnehmen. Dieser Steuersatz ist nun zur Berechnung der Erbschaftsteuer heranzuziehen.

Die Erbschaftsteuer für Tochter T berechnet sich damit wie folgt:

 
Steuerpflichtiger Erwerb (Berechnung siehe oben) 250.000 EUR
Erbschaftsteuer[4] 37.500 EUR

Die Erbschaftsteuer für Nichte N beläuft sich demnach auf 37.500 EUR.

Muss der Erwerb, welcher in Deutschland zu besteuern ist, mit einer Vorschenkung zusammengerechnet werden[5], so ist wie folgt vorzugehen:[6]

  1. Bei der Bestimmung des Steuersatzes ist der Gesamterwerb einschließlich der Vorschenkung maßgebend.
  2. Der so ermittelte Steuersatz ist auf den der inländischen Besteuerung unterliegenden Teil des Erwerbs von Todes wegen unter Einbeziehung der Vorschenkung nach § 14 ErbStG anzuwenden.
  3. Von der so errechneten Steuer ist entweder die fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG oder die tatsächlich zu entrichtende nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abzuziehen.
  4. Der danach für den Erwerb von Todes wegen verbleibende Steuerbetrag kann nach § 14 Abs. 2 ErbStG nur erhoben werden, soweit er 50 % des der inländischen Besteuerung unterliegenden Teils des Erwerbs von Todes wegen nicht übersteigt.
 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2 zur Steuerberechnung bei Vorschenkungen

Die in Deutschland lebende Witwe W wendet ihrer Tochter T (ebenfalls mit Wohnsitz in Deutschland) im Kalenderjahr 2016 einen Geldbetrag i. H. v. 520.000 EUR zu. W verstirbt in 2024 und hinterlässt als Alleinerbin die T. Im Nachlass befinden sich ein in Deutschland nicht zu Wohnzwecken vermietetes belegenes Grundstück mit einem gemeinen Wert i. H. v. 306.000 EUR und daneben noch durch ein DBA befreites ausländisches Vermögen i. H. v. 430.000 EUR.

Vorerwerb im Kalenderjahr 2016

 
Geldbetrag 520.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[7] ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb[8] 120.000 EUR
Schenkungsteuer[9] 13.200 EUR

Letzterwerb im Kalenderjahr 2024

 
Ausländisches Vermögen 430.000 EUR
Grundstück (gemeiner Wert) + 306.000 EUR
Zwischensumme 736.000 EUR
Vorerwerb aus 2016 520.000 EUR
Gesamterwerb 1.256.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[10] ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Gesamterwerb 856.000 EUR

Hierauf ergibt sich ein Steuersatz i. H. v. 19 %.

In Deutschland zu besteuernder Letzterwerb 2024

 
Grundstück (gemeiner Wert) 306.000 EUR
zuzüglich Vorerwerb aus 2016 520.000 EUR
Gesamterwerb 826.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag[11] ./. 400.000 EUR
Steuerpflichtiger Gesamterwerb 426.00...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge