Wie oben schon angesprochen, findet die Übernahme der Steuer auch auf Erwerbe von Todes wegen Anwendung. Beispielsweise ist dies dann der Fall, wenn der Erbe verpflichtet wird, die Steuer für den Vermächtnisnehmer zu übernehmen.[1] Für den Erben ist die auferlegte Steuer eine Nachlassverbindlichkeit, die dieser von seinem Erwerb abziehen kann.[2]

 
Praxis-Beispiel

Erwerbe von Todes wegen

Großvater GV hat testamentarisch angeordnet, dass seine Enkelin EN Erbin sein soll. Des Weiteren hat er im Testament seinem Briefmarkenfreund B die Briefmarkensammlung vermacht (Vermächtnis). Der gemeine Wert der Briefmarkensammlung beläuft sich auf 85.000 EUR. Da B völlig mittellos ist, hat GV auch noch bestimmt, dass die auf das Vermächtnis entfallende Erbschaftsteuer durch die EN zu übernehmen ist. Der gemeine Wert des Nachlasses beläuft sich auf 420.000 EUR. GV verstirbt am 10.1.2024.

Lösung:

a) Berechnung der Erbschaftsteuer für den Freund B

Freund B erhält das Vermächtnis (Briefmarkensammlung), welche er nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen hat. Die Erbschaftsteuer hat aber aufgrund der testamentarischen Anordnung EN zu tragen. Damit ist B in Höhe dieser Erbschaftsteuer zusätzlich bereichert. Nach § 10 Abs. 2 ErbStG sind das Vermächtnis und die Erbschaftsteuer zusammenzurechnen. Die auf diesen Erwerb entstehende Erbschaftsteuer kann EN als Auflage abziehen.

Die Erbschaftsteuer auf das Vermächtnis errechnet sich nach § 10 Abs. 2 ErbStG wie folgt:

 
Vermächtnis (gemeiner Wert) 85.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) ./. 20.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 65.000 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 19.500 EUR
   
Vermächtnis (gemeiner Wert) 85.000 EUR
zuzüglich Erbschaftsteuer + 19.500 EUR
Steuerliche Bereicherung 104.500 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) ./. 20.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (nach Abrundung) 84.500 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 25.350 EUR

Es ergibt sich somit nach der Zusammenrechnung eine Erbschaftsteuer i. H. v. 25.350 EUR.

b) Berechnung der Erbschaftsteuer für die Erbin EN

Enkelin EN hat ihren Erwerb ebenfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen (durch Erbanfall). Das Vermächtnis kann sie nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG zum Abzug bringen. Das Gleiche gilt für die Erbschaftsteuer auf das Vermächtnis.

 
Vermögensanfall (gemeiner Wert) 420.000 EUR
abzüglich Vermächtnis (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) ./. 85.000 EUR
abzüglich Auflage Erbschaftsteuer (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) ./. 25.350 EUR
abzüglich Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
steuerliche Bereicherung 299.350 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) ./. 200.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb (nach Abrundung) 99.300 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 10.923 EUR

Zahlt der Erbe freiwillig, ohne dass ihn der Erblasser dazu verpflichtet hat, die Erbschaftsteuer für den Vermächtnisnehmer, so kommt die Regelung des § 10 Abs. 2 ErbStG nicht zum Tragen. Vielmehr kann eine Schenkung des Erben an den Vermächtnisnehmer vorliegen, welche Letzterer dann der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu unterwerfen hat.[3]

 
Praxis-Beispiel

Erbe zahlt freiwillig die Erbschaftsteuer des Vermächtnisnehmers

Die Tante T hat ihren Neffen N testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt. Des Weiteren hat T im Testament bestimmt, dass die Haushälterin H einen Geldbetrag i. H. v. 100.000 EUR erhalten soll (Vermächtnis). Nach dem Tod von T im Januar 2023 erklärt sich N freiwillig bereit, die Erbschaftsteuer für die Haushälterin H zu übernehmen. Der gemeine Wert des Nachlasses beläuft sich auf 430.000 EUR.

Lösung:

Haushälterin H hat ihr Vermächtnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen zu versteuern. Da keine entsprechende Anordnung der T vorliegt, hat H auch die Erbschaftsteuer selbst zu tragen.

a) Berechnung der Steuer für die Haushälterin H

 
Vermächtnis (Geldzuwendung) 100.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) ./. 20.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 80.000 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 24.000 EUR

Da N die Erbschaftsteuer der H freiwillig übernommen hat, liegt hier eine Schenkung unter Lebenden von Neffe N an Haushälterin H vor. Diese Schenkung ist von der Haushälterin H nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer zu unterwerfen. Die Regelung des § 10 Abs. 2 ErbStG findet somit keine Anwendung.

 
Schenkung der übernommenen Schenkungsteuer 24.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) ./. 20.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb (nach Abrundung) 4.000 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 1.200 EUR

b) Berechnung der Erbschaftsteuer für den Erben N

Neffe N hat seinen Erwerb ebenfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb von Todes wegen der Erb...

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