Zum Erwerb von Todes wegen zählt auch der Pflichtteilsanspruch (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Von der Erbschaftsteuer erfasst wird aber nicht nur der Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB), sondern auch der ordentliche Pflichtteilsrestanspruch (§ 2305 BGB, § 2307 BGB) und der Pflichtteilsergänzungsanspruch[1]

Zu einer Besteuerung kommt es aber nur, wenn der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht.[2] Im Zeitpunkt der Geltendmachung entsteht auch erst die Erbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG). Mit der Anknüpfung der Besteuerung an die Geltendmachung soll verhindert werden, dass der Pflichtteilsberechtigte Erbschaftsteuer zahlen muss, obwohl er seinen Pflichtteilsanspruch zunächst nicht oder auf Dauer nicht erhebt.[3]

Wird dagegen vom Pflichtteilsberechtigten der mit dem Erbfall entstandene Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht, so entsteht weder für diesen eine Steuer, noch ergibt sich eine steuerliche Auswirkung für den Erben.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1

Besteuerung des Pflichtteilsanspruchs

Der verwitwete Vater V hat seine Tochter T zur Alleinerbin eingesetzt. Seinen Sohn S hat V enterbt. Weitere Verwandte sind nicht vorhanden. Am 9.9.20221 verstirbt V. Den Pflichtteilsanspruch macht S am 10.1.2024 geltend. Dieser beläuft sich auf 900.000 EUR.

Aufgrund der Enterbung hat S einen Pflichtteilsanspruch i. H. v. 1/4 des Nachlasses (§ 2303 Abs. 1 BGB, § 1924 Abs. 4 BGB). Der Pflichtteilsanspruch entsteht schon mit dem Tod von V, die Besteuerung tritt aber erst zum Zeitpunkt der Geltendmachung ein, d. h. am 10.1.2024 (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 9 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG).

Damit ergibt sich für S die folgende Berechnung der Erbschaftsteuer:

 
Pflichtteilsanspruch (Ansatz mit dem Nennwert) 900.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb 500.000 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 75.000 EUR

Sohn S hat somit eine Erbschaftsteuer i. H. v. 75.000 EUR an das Finanzamt zu zahlen.

Dagegen kommt es nicht auf die Geltendmachung an, wenn ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch ererbt wird (so genannter derivativer Pflichtteilsanspruch). Dieser gehört zum Nachlass des Erben und unterliegt damit der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG.[4]

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2 (vereinfachend dargestellt)

Derivater Pflichtteilsanspruch

Erblasser E verstirbt am 1.2.2024 und wird von Sohn S beerbt. E hatte einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 500.000 EUR nicht geltend gemacht. Auch S macht den Pflichtteilsanspruch nicht geltend.

Lösung:

a) Erblasser E

Hier kommt es mangels Geltendmachung nicht zur Besteuerung (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG).

b) Sohn S

Diese erbschaftsteuerrechtliche Besonderheit, die für Erblasser E greift, wonach der Erwerb des Pflichtteilsanspruchs nur bei dessen Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten der Erbschaftsteuer unterliegt, gilt nicht für den Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs durch Erbanfall (derivativer Erwerb). Für diesen Erwerb entsteht die Steuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereits mit dem Tode des Pflichtteilsberechtigten, ohne dass es auf die Geltendmachung des Anspruchs durch dessen Erben ankommt.

S hat somit den erworbenen Pflichtteilsanspruch zu versteuern.

Macht S den Pflichtteilsanspruch zu einem späteren Zeitpunkt geltend, kommt es nicht zu einer doppelten Besteuerung.

Nach Auffassung des FG München[5]

führt allein die Tatsache der Geltendmachung des Pflichtteils zu keiner Erbschaftsteuer, wenn der Pflichtteilsberechtigte mangels

a) Durchsetzung des Anspruchs oder

b) Durchsetzbarkeit des Anspruchs

keine Vermögensbereicherung erfährt.

Er begründet dies damit, dass der Besteuerungstatbestand des § 3 Abs 1 Nr. 1 ErbStG ausdrücklich einen „Erwerb aufgrund des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs“ verlangt. Auch hat sich die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage für diesen Erwerb nach der Höhe der tatsächlichen Bereicherung des Erwerbers zu orientieren.

Im Entscheidungsfall ging es um die Frage der Berechnung des Anfangsvermögens im Rahmen des fiktiven Zugewinnausgleichsanspruchs nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.

Hierzu entschied das FG München,[6] dass auch der Erwerb von Todes wegen, den ein im gesetzlichen Güterstand lebender Ehegatte aufgrund eines Pflichtteilsanspruchs erlangt, zum Erwerb von Vermögen führen kann, das dem güterrechtlichen Anfangsvermögen iSd § 1374 Abs. 2 BGB hinzuzurechnen ist.

Jedoch ist Voraussetzung, dass der im gesetzlichen Güterstand lebende Ehegatte aufgrund seines Pflichtteilsrechts tatsächlich Vermögen erworben hat, der Pflichtteilsanspruch also erfüllt worden ist.

Hinsichtlich der Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tod des Verpflichteten durch dessen Alleinerben gilt Folgendes:

Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, bleibt trotz des zivilrechtlichen Erlöschens des Pflichtteilsanspruchs erbschaftsteuerrechtlich sein Recht zur Geltendmachung des Pflichtteils als Folge der Regel...

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