Hat der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten des Erblassers Zuwendungen von diesem erhalten, dann werden diese dem Berechtigten auf den Pflichtteil angerechnet (§ 2315 Abs. 1 BGB). Voraussetzung ist aber, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten die Bestimmung getroffen hat, dass eine Anrechnung erfolgen soll.

Muss eine Anrechnung durchgeführt werden, ist zunächst die Zuwendung dem Nachlass hinzuzurechnen. Von diesem fiktiven Nachlasswert ist der Pflichtteilsanspruch zu berechnen. Anschließend ist der anzurechnende Betrag vom Pflichtteilsanspruch abzuziehen. Hat der Erblasser mehrere Pflichtteilsberechtigte hinterlassen, dann ist die Anrechnung für jeden getrennt vorzunehmen.

 
Praxis-Beispiel

Anrechnungen von Zuwendungen

Der verwitwete Vater V hat seine Lebensgefährtin L zur Alleinerbin eingesetzt. Seiner Tochter T wurde von V ein Geldbetrag i. H. v. 40.000 EUR und seinem Sohn S ein Geldbetrag i. H. v. 20.000 EUR mit der Bestimmung geschenkt, dass sich T und S diese Zuwendungen auf ihren Pflichtteil anrechnen lassen müssen. Der Nachlasswert beträgt 250.000 EUR. Andere Verwandte hat V nicht hinterlassen.

Durch die testamentarische Einsetzung der Lebensgefährtin L zur Alleinerbin sind die Kinder des V enterbt. Damit steht ihnen ein Pflichtteilsanspruch i. H. der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zu (§ 2303 Abs. 1 BGB). Nach § 1924 Abs. 4 BGB beträgt der gesetzliche Erbteil für S und T jeweils 1/2. Die Pflichtteilsquote beläuft sich somit auf jeweils 1/4.

Die Kinder haben aber schon zu Lebzeiten ihres Vaters Zuwendungen erhalten. Diese werden nun bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs angerechnet (§ 2315 BGB).

Pflichtteilsanspruch der Tochter T

 
Nachlassvermögen beträgt 250.000 EUR
zuzüglich Zuwendung 40.000 EUR
Fiktiver Nachlasswert 290.000 EUR
Pflichtteil beträgt hiervon 1/4 72.500 EUR
abzüglich anzurechnender Betrag ./. 40.000 EUR
verbleibender Pflichtteilsanspruch der T gegenüber der Erbin L 32.500 EUR

Pflichtteilsanspruch des Sohns S

 
Nachlassvermögen beträgt 250.000 EUR
zuzüglich Zuwendung + 20.000 EUR
Fiktiver Nachlasswert 270.000 EUR
Pflichtteil beträgt hiervon 1/4 67.500 EUR
abzüglich anzurechnender Betrag ./. 20.000 EUR
verbleibender Pflichtteilsanspruch des S gegenüber der Erbin L 47.500 EUR

Hierbei ist der Betrag zugrunde zu legen, der sich nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen für die anzurechnende Zuwendung ergibt.[1]

[1] Gebel, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 ErbStG Rz. 223, Stand: November 2023.

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