Wird einer Person der Nießbrauch zu Lebzeiten unentgeltlich eingeräumt (sog. Zuwendungsnießbrauch), dann erfüllt dies als Schenkung unter Lebenden den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Zu einer Besteuerung kommt es dabei nur, wenn eine Bereicherung des Bedachten gegeben ist. Ein unentgeltlicher Erwerb ist gegeben, soweit er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung, die sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzen einer Auflage oder Bedingung begründet sein kann.[1]

Erhält eine Person den Nießbrauch dagegen von Todes wegen, dann unterfällt dies als Erwerb von Todes wegen dem § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (Vermächtnisnießbrauch) oder § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG und führt somit zur Erbschaftsbesteuerung. Das Nießbrauchsvermächtnis stellt regelmäßig die steuerlich günstigere Gestaltung gegenüber der Vor- und Nacherbschaft dar.[2]

 
Praxis-Beispiel

Steuerrechtliche Behandlung beim Nießbrauchsberechtigten

Erblasser E verstirbt am 15.12.2023 und hinterlässt als Alleinerbin die Tochter T. Für Sohn S hat E ein Nießbrauchsvermächtnis an einem Grundstück angeordnet.

Bei S ist das Nießbrauchsvermächtnis gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Besteuerung zu unterwerfen.

Bei einem Vorbehaltsnießbrauch entsteht die Schenkungsteuer mit der notariellen Übertragung, Auflassung des Grundstücks, Bestellung des Nießbrauchs und der entsprechenden Eintragungsbewilligung. Dagegen entsteht bei einem Zuwendungsnießbrauch die Schenkungsteuer mit der notariellen Beurkundung und der Eintragungsbewilligung.[3]

Nach dem Urteil des FG Münster[4] stellt die Übertragung eines Grundstücks gegen Zurückbehaltung eines Nießbrauchs zugunsten des Schenkers und seiner Ehefrau keine Zuwendung zugunsten der Ehefrau dar, wenn sich aus den tatsächlichen Umständen eine Alleinberechtigung des Ehemannes dadurch ergibt, dass die Mieterlöse auf ein nur diesem zustehendes Konto fließen, dieser mit den Mitteln eigenes Vermögen anspart und keine Zahlungsbewegungen zugunsten der Ehefrau erkennbar sind.

Hierzu hat der BFH[5] entschieden, dass eine freigebige Zuwendung einer Gesamtgläubigerstellung an einem Nießbrauchsrecht dann nicht vorliegt, wenn der Berechtigte über die Erträge im Innenverhältnis rechtlich und tatsächlich nicht frei verfügen kann.

Die weitere Besteuerung bei der nießbrauchsberechtigten Person erfolgt nach den Grundsätzen des § 23 ErbStG (Besteuerung von Renten, Nutzungen und Leistungen, siehe Tz. 2.2).

[1] Zur freigebigen Zuwendung siehe auch R E 7.1 ErbStR 2019 und H E 7.1 ErbStH 2019.
[2] Meincke/Hannes/Holtzt, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 18. Aufl. 2021, § 6 Rn. 36.
[3] Halaczinsky/Teß, in Halaczinski/Obermeier/Obermeier/Teß, Grundstücksbewertung, Erbschaft- und Schenkungsteuer, NWB 2003 S. 204.

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