Die Anwendung des § 27 ErbStG setzt voraus, dass der Letzterwerber im Verhältnis zum Vorerwerber der Steuerklasse I angehören muss, wie auch der Vorerwerber im Verhältnis zum ursprünglichen Schenker oder Erblasser der Steuerklasse I anzugehören hat. Hierunter fallen u. a. der Ehegatte (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 1 ErbStG), die Kinder und Stiefkinder (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 2 ErbStG) sowie Enkel (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 3 ErbStG). Bei einem Erwerb von Todes wegen auch die Eltern und Voreltern (§ 15 Abs. 1 Stkl. I Nr. 4 ErbStG). Es kann weder aus dem verfassungsrechtlichen Familienprinzip noch aus dem § 27 ErbStG zugrunde liegenden Gesetzeszweck das Verfassungsgebot abgeleitet werden, Letzterwerber der Steuerklasse II solchen der Steuerklasse I allein deswegen gleichzustellen, weil für den Letzterwerber im Verhältnis zum ursprünglichen Vermögensinhaber die Voraussetzungen der Steuerklasse I vorlagen.[1]

 
Praxis-Beispiel

Personenkreis der Steuerklasse I

Großmutter GM vererbt ihrem Ehemann GV im September 2017 ein Einfamilienhaus. Zwei Jahre später verstirbt GV und wird von der Enkelin EN beerbt (Todeszeitpunkt ist der 1.11.2023).

Lösung

GV gehört als Ehegatte der Steuerklasse I an (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 1 ErbStG). Ebenso ist EN als Enkelin des GV der Steuerklasse I zuzuordnen (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 3 ErbStG). Damit ist § 27 ErbStG anwendbar.

Nicht erforderlich ist, dass der Letzterwerber zum ursprünglichen Schenker oder Erblasser in die Steuerklasse I einzuordnen ist.[2]

 
Praxis-Beispiel

Verhältnis des Letzterwerbers zum ursprünglichen Erblasser

Großmutter GM verstirbt am 1.10.2019 und hinterlässt ihrem Enkel EN als Alleinerben ihren Nachlass. Vier Jahre nach dem Tod von GM verstirbt EN. Alleinerbin des EN ist dessen Ehefrau EF.

Lösung

EN gehört als Enkelin der GM zur Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 3 ErbStG). Auch für die Ehefrau von EN ist die Steuerklasse I maßgebend (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 1 ErbStG). Damit ist § 27 ErbStG anzuwenden.

Es genügt hier, dass im Verhältnis zwischen EN und EF die Steuerklasse I anzuwenden ist.

Findet innerhalb des 10-Jahreszeitraums zwischen dem Erst- und Letzterwerb ein weiterer, nicht begünstigter Zwischenerwerb statt, ist § 27 ErbStG trotzdem anwendbar.[3]

 
Praxis-Beispiel

Nicht begünstigter Zwischenerwerb

Der Erblasser E wendet seinem Sohn S ein Grundstück zu (Zeitpunkt der Übertragung ist Oktober 2027). Zwei Jahre später verstirbt S und wird von seiner Schwester T beerbt. Ein weiteres Jahr später verstirbt auch T und vererbt ihr Vermögen dem Ehemann EM.

Der Ersterwerb zwischen V und S unterliegt der Steuerklasse I (Vater und Sohn), ebenso der Letzterwerb zwischen T und EM (Ehegatte an Ehegatte).

Der Zwischenerwerb findet zwar in der Steuerklasse II statt (Bruder und Schwester), ist aber unschädlich. EM hat demnach Anspruch auf die Steuerermäßigung des § 27 ErbStG.

Eingetragene Lebenspartner kommen ebenfalls in den Genuss des § 27 ErbStG (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 1 ErbStG).

 
Praxis-Beispiel

Eingetragene Lebenspartner

Mutter M wendet der Tochter T am 1.10.201 ein nicht zu Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus zu. Der gemeine Wert für dieses beläuft sich auf 1.640.000 EUR. Am 1.12.2023 verstirbt T und wird von deren eingetragenen Lebenspartnerin L beerbt. Eigenes Vermögen hinterlässt die T nicht.

Lösung

Schenkung von M an die Tochter T

 
Grundstückszuwendung 1.640.000 EUR
Abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
   
Steuerpflichtiger Erwerb 1.240.000 EUR

Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 19 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) eine Schenkungsteuer in Höhe von 235.600 EUR.

Erbfall von T an die eingetragene Lebenspartnerin L

 
Vermögensanfall 1.640.000 EUR
Abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ./. 500.000 EUR
Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
Versorgungsfreibetrag ./. 256.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb 873.700 EUR

Hieraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 19 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) eine Erbschaftsteuer in Höhe von 166.003 EUR.

Die Steuerermäßigung des § 27 ErbStG findet Anwendung, denn L ist in die Steuerklasse I einzuordnen (§ 15 Abs. 1 StKl. I Nr. 1 ErbStG)

 
Erbschaftsteuer für den Erbfall von T an S (Berechnung siehe oben) 166.003 EUR
Der Vomhundertsatz nach § 27 Abs. 1 ErbStG beträgt 45 % (Zeitraum zwischen Vor- und Letzterwerb beträgt mehr als zwei Jahre und weniger als drei Jahre)  
40 % von 166.003 EUR = 66.402 EUR  
Überprüfung der Begrenzung durch § 27 Abs. 3 ErbStG:  
40 % von 235.600 EUR = 94.240 EUR  
Dieser Wert wird durch die Steuer auf das begünstigte Vermögen des Letzterwerbs nicht überschritten  
Ermäßigungsbetrag somit ./. 66.402 EUR
Endgültige festzusetzende Erbschaftsteuer 99.601 EUR

Handelt es sich zivilrechtlich um einen Erwerb durch eine rechtsfähige Personengesellschaft, ist der ab 1.1.2024 neu eingefügte § 2a ErbStG zu beachten.

Dabei gilt Folgendes:

  1. Im Fall eines Erwerbs nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG durch eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als E...

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