3.1 Rechtslage bis Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020

Gegenüber der gemischten Schenkung bzw. Schenkung unter Leistungsauflage ist die Rechtslage beim Erwerb von Todes nun gleich. In beiden Fällen sind beispielsweise die Schulden ohne Einschränkung abziehbar. Beim Erwerb von Todes wegen ergibt sich dies aus § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, wonach die Schulden voll bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs abgezogen werden können (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1

Der todkranke Vater V schenkt seiner Tochter T ein nicht zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück. Der Verkehrswert für das Grundstück beläuft sich auf 1.900.000 EUR und der Steuerwert auf 1.650.000 EUR. T muss im Gegenzug Verbindlichkeiten i. H. v. 760.000 EUR übernehmen. Zeitpunkt der Zuwendung ist der 15.10.2019.

Lösung

Unter Anwendung der obigen Grundsätze (vgl. 2.3) ergibt sich die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage bzw. Bereicherung wie folgt:

 
Steuerwert Grundstück 1.650.000 EUR
abzüglich Leistungsauflage ./. 760.000 EUR
Bereicherung 890.000 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 490.000 EUR
Schenkungsteuer (Steuersatz 15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 73.500 EUR
 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2

Da der todkranke Vater V mit seinem baldigen Ableben rechnet, setzt er seine Tochter T zur Erbin ein. V verstirbt am 1.9.2020. Der Nachlass setzt sich nur aus dem nicht zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück (Verkehrswert 1.900.000 EUR und Steuerwert 1.650.000 EUR) und einer auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeit i. H. v. 760.000 EUR zusammen.

Lösung

Es ist der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, d. h. ein Erwerb von Todes wegen, gegeben. In diesen Fällen schreibt § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zur Ermittlung der Bereicherung vor, dass die Nachlassverbindlichkeit vom Vermögensanfall abzuziehen ist, und zwar in voller Höhe:

 
Vermögensanfall (Steuerwert Grundstück) 1.650.000 EUR
abzüglich Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) ./. 760.000 EUR
steuerliche Bereicherung 890.000 EUR
Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
abzüglich persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ./. 400.000 EUR
steuerpflichtiger Erwerb (Abrundung entfällt) 479.700 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 71.955 EUR

Gegenüber dem obigen Beispielsfall weicht die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nur in Höhe von 1.545 EUR ab, was durch die Beerdigungskostenpauschale bedingt ist.

3.2 Rechtslage ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2020

Ab Inkraftreten des Jahressteuergesetzes 2020[1] gilt nun Folgendes:

Es liegen Schulden und Lasten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem erworbenen Vermögen vor

Liegen Schulden und Lasten vor, die mit steuerbefreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, dann sind diese nur anteilig abziehbar. Dies ergibt sich nun nicht mehr aus dem bisherigen § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a. F. sondern aus dem geänderten § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG.

Es liegen Schulden und Lasten vor, die in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem erworbenen Vermögen stehen

Zu diesen zählen u. a. die folgenden Schulden und Lasten:

Konsumentendarlehen, Steuerschulden, Pflichtteilsverbindlichkeiten, Erbfallkosten oder die Pflicht des Erben zur Zahlung des Zugewinnausgleichs.[2]

Für diese gilt aufgrund des Jahressteuergesetzes 2020 Folgendes:

Um einen ungerechtfertigten steuerlichen Vorteil durch den unbegrenzten Abzug von Schulden und Lasten zu vermeiden, werden vorgenannte Schulden und Lasten anteilig gekürzt, obwohl sie in keinem wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem zu Wohnzwecken vermieteten Grundstück stehen.

Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof können z. B. Pflichtteilsverbindlichkeiten oder Untervermächtnisse in voller Höhe als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, selbst wenn zum Nachlass ganz oder teilweise steuerbefreite Vermögensgegenstände gehören.

Dabei ist nun folgende Vorgehensweise für die Berechnung vorgesehen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 6 Satz 5 ff ErbStG.

Nach § 10 Abs. 5 Satz 5 ErbStG werden die Schulden und Lasten, die in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einzelnen Vermögensgegenständen stehen, anteilig allen Vermögensgegenständen des Erwerbs zugerechnet.

§ 10 Abs. 6 Satz 7 ErbStG bestimmt den Anteil der jeweiligen Schuld oder Last, der dem einzelnen Vermögensgegenstand zugerechnet wird.

Der Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis des Werts des jeweiligen Vermögensgegenstands nach Abzug der mit diesem in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten zum Gesamtwert der Vermögensgegenstände nach Abzug aller mit diesen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten.

Nach § 10 Abs. 6 Satz 9 ErbStG ist der Abzug der anteiligen Schulden und Lasten begrenzt, soweit der Vermögensgegenstand steuerfrei ist.

 
Hinweis

Weitere Einzelheiten aufgrund der gleichlautenden Ländererlasse

Weitere Einzelheiten zur Vorgehensweise können den gleichlautenden Ländererlassen vom 13.9.2021 entnommen werden[3] s. auch Abschnitt t 5.2.

[1] Die mit dem Jahressteuergesetz 2020 geänderten Vorsc...

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