Ziel der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist, den tatsächlichen gemeinen Wert (Verkehrswert) des Grundstücks zu ermitteln. Dieser gemeine Wert soll durch die typisierenden Bewertungsvorschriften abgebildet werden. Durch diese typisierenden Bewertungsverfahren lässt es sich jedoch nicht vermeiden, dass die ermittelten Werte in besonders gelagerten Fällen über den gemeinen Wert eines Grundstücks hinausgehen können. Damit sich die vereinfachte Grundbesitzbewertung nicht nachteilig auswirkt, kann der Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt nachweisen, dass der gemeine Wert am Bewertungsstichtag niedriger ist, als der nach den Bewertungsvorschriften ermittelte Grundbesitzwert (sog. Öffnungsklausel).

Nach § 9 BewG sind aber bei dem Ansatz des gemeinen Werts alle wertbeeinflussenden Umstände am Bewertungsstichtag zu berücksichtigen. Hierzu müssen auch die allgemeinen Wertverhältnissen auf dem Grundstücksmarkt und der Zustand des zu bewertenden Grundstücks gehören. Der Grundstückszustand bestimmt sich nach der Gesamtheit der wertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten, insbesondere den Rechten und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, den tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks. Nur ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.[1]

Für den Nachweis des gemeinen Werts sollen grundsätzlich die nach § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften gelten.[2] Der Steuerpflichtige erhält hiermit im Wege des Nachweises des niedrigeren gemeinen Werts auf der Grundlage der Wertermittlungsverordnung und den hierzu ergänzenden Regelungen die Möglichkeit, sämtliche wertbeeinflussende Umstände bei der Ermittlung des gemeinen Werts geltend zu machen. Hierzu gehören auch die den Wert beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, wie z. B. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte.

 
Hinweis

Gutachten seit 2021 gesetzlich geregelt

Nach § 198 Abs. 2 BewG kann als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses dienen. Es kann aber auch ein Gutachten herangezogen werden, das von Personen erstellt wurde, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständiger oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert wurden.

 
Praxis-Tipp

Kosten für Sachverständigengutachten abziehbar

Der BFH[3] hat entschieden, dass die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des gemeinen Werts eines Grundstücks als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig ist.

Der niedrigere gemeine Wert kann aber auch aus Verkäufen abgeleitet werden.

 
Praxis-Tipp

Kaufpreise innerhalb eines Jahres als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts

Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts wird insbesondere durch ein auf den Besteuerungszeitpunkt erstelltes individuelles Gutachten zu führen sein. Aber auch ein individueller An- oder Verkaufspreis des zu bewertenden Grundvermögens ist als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts heranzuziehen. Seit 2021 ist gesetzlich in § 198 Abs. 3 BewG geregelt, dass für die Grundbesitzbewertung dabei einen Kaufpreis innerhalb eines Jahres vor und nach dem Besteuerungszeitpunkt als geeigneten Nachweis anzusehen ist, wenn die maßgeblichen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind.[4]

Zu beachten ist, dass die Grundbesitzwerte – nach den hier dargestellten Verfahren – gesondert in einem Steuerbescheid festgestellt werden und verfahrensrechtlich angreifbar sind. Ein Einwand gegen einen schon bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwert in dem Folgebescheid zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer ist nicht möglich.

[4] Vor der gesetzlichen Regelung 2021 hatte dies die Finanzverwaltung vergleichbar in R B 198 Abs. 4 ErbStR geregelt.

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