Weiterer Kernpunkt des vereinfachten Ertragswertverfahrens ist der Kapitalisierungszinssatz, der bei Ermittlung des Ertragswerts angesetzt wird. Dabei war ursprünglich von der langfristigen Rendite für längerfristige öffentliche Anleihen ausgegangen worden, dieser Zinssatz war von der Deutschen Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahrs zu errechnen.[1] Der Basiszins war um einen Risikozuschlag von 4,5 % zu erhöhen.

 
Wichtig

Fester Kapitalisierungsfaktor für alle Bewertungen ab 2016

Aufgrund der niedrigen Kapitalmarktzinsen ergaben sich nach der früheren Methode unrealistisch hohe Kapitalisierungsfaktoren, sodass in 2016 beschlossen wurde, – rückwirkend zum 1.1.2016 – in § 203 Abs. 1 BewG einen feststehenden Kapitalisierungsfaktor von 13,75 vorzugeben. Dieser Kapitalisierungsfaktor gilt für das vereinfachte Ertragswertverfahren für alle Bewertungen ab dem 1.1.2016. Das BMF wurde zwar ermächtigt, den Kapitalisierungsfaktor bei einer Änderung der Zinsstrukturdaten durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates neu festzusetzen, bisher ist dies aber nicht geschehen.

Der Basiszinssatz – der für alle Bewertungen des jeweiligen Jahrs zu verwenden ist – kann in einem Betrachtungszeitraum von 10 Jahren auch noch für die Vergangenheit von Bedeutung sein, wenn z. B. aufgrund der Zusammenrechnung mehrerer Zuwendungen[2] eine Bewertung für Vorjahre vorzunehmen ist. Das Bundesfinanzministerium hat in den letzten Jahren vor Einführung des feststehenden Kapitalisierungsfaktors die folgenden Daten veröffentlicht:

  • zum 1.1.2015[3] (für alle Bewertungen in 2015): 0,99 % – Kapitalisierungsfaktor damit 18,2149,
  • zum 1.1.2014[4] (für alle Bewertungen in 2014): 2,59 % – Kapitalisierungsfaktor damit 14,1043,
  • zum 1.1.2013[5] (für alle Bewertungen in 2013): 2,04 % – Kapitalisierungsfaktor damit 15,2905,
  • zum 1.1.2012[6] (für alle Bewertungen in 2012): 2,44 % – Kapitalisierungsfaktor damit 14,4092.

Der Zuschlag i. H. v. 4,5 % der bis einschließlich 2015 zum Basiszinssatz hinzuzurechnen war, berücksichtigte pauschal neben dem Unternehmerrisiko auch andere Korrekturposten, z. B. Fungibilitätszuschlag, Wachstumsabschlag oder inhaberabhängige Faktoren.

Mit dem seit 2016 gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 ist im Vergleich zu den Erstjahren des vereinfachten Ertragswertverfahrens ein deutlich höherer Faktor festgesetzt worden, im Vergleich zu den letzten Jahren (2014/2015) ist der Kapitalisierungsfaktor in eine akzeptable Größe abgesenkt worden. Dem Erwerber bleibt es weiterhin möglich, einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein anderes Bewertungsverfahren nachzuweisen, allein ein anderer (geringerer) Kapitalisierungsfaktor kann aber nicht zur Grundlage einer vom vereinfachten Ertragswertverfahren abweichenden Bewertung gemacht werden.

 
Praxis-Beispiel

Wertermittlung im vereinfachten Ertragswertverfahren

Ein Gewerbebetrieb (Einzelunternehmen) soll im vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 200 ff. BewG bewertet werden. Die Übertragung des Betriebs erfolgt im Januar 2023. In 2020 betrug der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelte Gewinn 150.000 EUR, 2021 ergab sich ein Gewinn von 180.000 EUR und 2022 ein Gewinn von 179.000 EUR. Die Abschreibungen wurden jeweils linear vorgenommen. Außergewöhnliche Ereignisse in den 3 Jahren lagen nicht vor. Gewinnmindernd wurden die Gewerbesteuerzahlungen erfasst (2020: 27.000 EUR, 2021 32.000 EUR und 2022 33.000 EUR[7]). In 2021 erfolgte eine erfolgswirksam in diesem Jahr erfasste Gewerbesteuererstattung für 2019 i. H. v. 4.000 EUR. Als Unternehmerlohn für den Betriebsinhaber sollen in allen Jahren 80.000 EUR p. a. angemessen sein.

Bewertung:

 
  2020 2021 2022
Ausgangswert nach § 202 BewG = Gewinn 150.000 EUR 180.000 EUR 179.000 EUR
Hinzurechnung: Gewerbesteuer + 27.000 EUR + 32.000 EUR + 33.000 EUR
Kürzung: Gewerbesteuer 0 EUR ./. 4.000 EUR 0 EUR
Kürzung: angemessener Unternehmerlohn ./. 80.000 EUR ./. 80.000 EUR ./. 80.000 EUR
Betriebsergebnis 97.000 EUR 128.000 EUR 132.000 EUR
Abgeltung Ertragsteueraufwand 30 % ./. 29.100 EUR ./. 38.400 EUR ./. 39.600 EUR
Jahresertrag 67.900 EUR 89.600 EUR 92.400 EUR
             
             
Durchschnittlicher Jahresertrag (§ 201 Abs. 1 BewG)   83.300 EUR  
Kapitalisierungsfaktor (§ 203 Abs. 1 BewG)   13,75  
Wert im vereinfachten Ertragswertverfahren   1.145.375 EUR  
 
Praxis-Tipp

Keine Abrundung des Werts des Betriebsvermögens

Der Wert des Betriebsvermögens wird nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG gesondert festgestellt. Er ist nicht abzurunden.

[3] BMF, Schreiben v. 2.1.2015, BStBl 2015 I S. 5.
[7] Seit 2008 ist die Gewerbesteuer zwar nicht mehr abzugsfähige Betriebsausgabe, § 4 Abs. 5b EStG. Da diese aber erst außerbilanziell hinzuzurechnen ist, hat sie das Ergebnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend gemindert. Be...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge