Die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen wird in der Praxis ohne größere Probleme ablaufen. Allerdings wird es der Ausnahmefall sein, da solche Vermögenswerte im Regelfall selten Gegenstand entgeltlicher Erwerbsvorgänge sein werden. Der Verkauf muss nach der ausdrücklichen Regelung des § 11 Abs. 2 BewG weniger als ein Jahr zurückliegen. Verkäufe, die erst nach dem Besteuerungszeitpunkt stattgefunden haben, können nicht berücksichtigt werden.

 
Praxis-Tipp

Kaufpreise nach dem Bewertungsstichtag nur in Ausnahmefällen zu berücksichtigen

Ist die Einigung über den Kaufpreis schon vor dem Bewertungsstichtag erfolgt, lediglich der formelle Vertragsabschluss erst nach dem Bewertungsstichtag durchgeführt worden (z. B. weil der Gesellschafter nach den Verhandlungen, aber vor Vertragsunterzeichnung verstorben ist), kann ausnahmsweise auch ein Verkaufspreis aus einem nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossenen Vertrag herangezogen werden.[1] Werden die für die Kaufpreisfindung notwendigen Verhandlungen aber erst nach dem Übertragungsstichtag geführt oder kommt es noch zu Nachverhandlungen, kann der Verkaufspreis nicht für die Ermittlung des gemeinen Werts herangezogen werden.

Es müssen nicht mehrere Verkäufe von Anteilen vorliegen, um daraus einen gemeinen Wert abzuleiten. Auch schon aus einem Verkaufsvorgang kann der gemeine Wert abgeleitet werden.[2] Allerdings darf es sich in diesem Fall nicht um einen "Zwerganteil" handeln, bei dem nur ein geringfügiger Anteil an der Kapitalgesellschaft übertragen wird. Aus dem Verkauf eines solchen geringen Anteils an einer Gesellschaft kann nicht auf den gemeinen Wert des gesamten Unternehmens geschlossen werden. Ob ein für die Ableitung des gemeinen Werts nicht geeigneter Verkauf eines Zwerganteils vorliegt, lässt sich jedoch nicht allein anhand der prozentualen Höhe des verkauften Anteils, sondern nur anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls (z. B. Ertragsaussichten und Vermögen des Unternehmens, Anzahl der Kaufinteressenten, Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalgesellschaft, Interessen der Vertragsbeteiligten) beurteilen.[3] Allerdings kann der gemeine Wert auch aus einer Mehrzahl von Verkäufen geringfügiger Beteiligungen abgeleitet werden.[4]

 
Wichtig

Verkäufe zwischen fremden Dritten sind zu berücksichtigen

Es können nur Verkäufe zwischen fremden Dritten für die Bewertung herangezogen werden. Entgeltliche Erwerbsvorgänge innerhalb der Familie oder zwischen nahe stehenden Personen können nicht berücksichtigt werden, da sich in diesen Fall der vereinbarte Kaufpreis nicht an Marktgegebenheiten orientieren wird. Damit wird auch möglichen Manipulationsmöglichkeiten ein Riegel vorgeschoben.

Bei jungen Aktien und Vorzugsaktien, die nicht an der Börse eingeführt sind, ist der gemeine Wert aus dem Börsenkurs der Stammaktien abzuleiten.[5] Die Ausgabe neuer Geschäftsanteile an einer GmbH im Rahmen einer Kapitalerhöhung zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters kann als Verkauf zur Ableitung des gemeinen Werts herangezogen werden.[6]

[1] BFH, Urteil v. 11.11.1998, II R 59/96, BFH/NV 1999 S. 8; dieses Urteil ist allerdings zum "alten" Bewertungsrecht ergangen. Da aber die Formulierung sich zum 1.1.2009 nicht verändert hat, kann davon ausgegangen werden, dass in solchen Ausnahmefällen dieses Urteil weiterhin anwendbar bleibt.
[5] R B 11.1 Abs. 4 ErbStR.
[6] R B 11.2 Abs. 1 ErbStR.

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