Bei der Bewertung des Betriebsvermögens (Einzelunternehmen, Freiberuflerpraxen, Beteiligungen an Personengesellschaften) wie auch bei Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist als steuerlicher Wert der gemeine Wert i. S. d. § 9 BewG anzusetzen. Dieser Wert soll nach § 11 Abs. 2 BewG – soweit kein Börsenkurs gegeben ist – wie folgt ermittelt werden:

  1. Vorrangig soll der Wert aus Verkäufen abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Besteuerungszeitpunkt (Tage des Erwerbs) stattgefunden haben.
  2. Hat kein Verkauf innerhalb des letzten Jahrs vor dem Besteuerungszeitpunkt stattgefunden, soll im Rahmen eines Verfahrens unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode der Verkehrswert des Betriebsvermögens ermittelt werden.
  3. Soweit kein besonderes Verfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts angewendet wird, kann der Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 199 ff. BewG ermittelt werden.

Auf diese – in § 11 Abs. 2 BewG für die Bewertung von Kapitalgesellschaften enthaltenen – Regelungen wird in § 109 Abs. 1 und Abs. 2 BewG für die Bewertung von Gewerbebetrieben, freiberuflich Tätigen und Anteilen an Gesellschaften i. S. d. § 97 Abs. 1 BewG verwiesen. Damit sind auch bei einem Einzelgewerbetreibenden (oder einem freiberuflich Tätigen) oder bei einer Personengesellschaft diese Grundsätze anzusetzen.

In der Praxis wird sich allerdings bei Einzelunternehmen kaum ein Einzelverkaufspreis ergeben, sodass dies eher eine theoretische Möglichkeit zur Ermittlung des gemeinen Werts darstellt.

Bei der Bewertung ausländischen Betriebsvermögens sowie Anteilen an Kapitalgesellschaften können diese Grundsätze entsprechend angewendet werden. Dabei ist die Bewertung in der entsprechenden Landeswährung durchzuführen, der ermittelte Ertragswert ist mit dem Devisenkurs vom Bewertungsstichtag umzurechnen. Der Gewinnermittlung können die in den jeweiligen Ländern geltenden Gewinnermittlungsvorschriften zugrunde gelegt werden, soweit die Korrekturen nach § 202 Abs. 1 Satz 2 BewG angewendet werden können.[1]

[1] R B 199.2 ErbStR.

3.2.1 Ableitung aus Verkäufen

Die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen wird in der Praxis ohne größere Probleme ablaufen. Allerdings wird es der Ausnahmefall sein, da solche Vermögenswerte im Regelfall selten Gegenstand entgeltlicher Erwerbsvorgänge sein werden. Der Verkauf muss nach der ausdrücklichen Regelung des § 11 Abs. 2 BewG weniger als ein Jahr zurückliegen. Verkäufe, die erst nach dem Besteuerungszeitpunkt stattgefunden haben, können nicht berücksichtigt werden.

 
Praxis-Tipp

Kaufpreise nach dem Bewertungsstichtag nur in Ausnahmefällen zu berücksichtigen

Ist die Einigung über den Kaufpreis schon vor dem Bewertungsstichtag erfolgt, lediglich der formelle Vertragsabschluss erst nach dem Bewertungsstichtag durchgeführt worden (z. B. weil der Gesellschafter nach den Verhandlungen, aber vor Vertragsunterzeichnung verstorben ist), kann ausnahmsweise auch ein Verkaufspreis aus einem nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossenen Vertrag herangezogen werden.[1] Werden die für die Kaufpreisfindung notwendigen Verhandlungen aber erst nach dem Übertragungsstichtag geführt oder kommt es noch zu Nachverhandlungen, kann der Verkaufspreis nicht für die Ermittlung des gemeinen Werts herangezogen werden.

Es müssen nicht mehrere Verkäufe von Anteilen vorliegen, um daraus einen gemeinen Wert abzuleiten. Auch schon aus einem Verkaufsvorgang kann der gemeine Wert abgeleitet werden.[2] Allerdings darf es sich in diesem Fall nicht um einen "Zwerganteil" handeln, bei dem nur ein geringfügiger Anteil an der Kapitalgesellschaft übertragen wird. Aus dem Verkauf eines solchen geringen Anteils an einer Gesellschaft kann nicht auf den gemeinen Wert des gesamten Unternehmens geschlossen werden. Ob ein für die Ableitung des gemeinen Werts nicht geeigneter Verkauf eines Zwerganteils vorliegt, lässt sich jedoch nicht allein anhand der prozentualen Höhe des verkauften Anteils, sondern nur anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls (z. B. Ertragsaussichten und Vermögen des Unternehmens, Anzahl der Kaufinteressenten, Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalgesellschaft, Interessen der Vertragsbeteiligten) beurteilen.[3] Allerdings kann der gemeine Wert auch aus einer Mehrzahl von Verkäufen geringfügiger Beteiligungen abgeleitet werden.[4]

 
Wichtig

Verkäufe zwischen fremden Dritten sind zu berücksichtigen

Es können nur Verkäufe zwischen fremden Dritten für die Bewertung herangezogen werden. Entgeltliche Erwerbsvorgänge innerhalb der Familie oder zwischen nahe stehenden Personen können nicht berücksichtigt werden, da sich in diesen Fall der vereinbarte Kaufpreis nicht an Marktgegebenheiten orientieren wird. Damit wird auch möglichen Manipulationsmöglichkeiten ein Riegel vorgeschoben.

Bei jungen Aktien und Vorzugsaktien, die nicht an der Börse eingeführt sind, ist der gemeine Wert aus dem Börsenkurs der Stammaktien abzuleiten.[5] Die Ausgabe neuer Geschäftsa...

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