Häufig befindet ich im Nachlass eines Ehegatten auch Unternehmensvermögen. Haben diese Ehegatten nun ein Berliner Testament errichtet, ergeben sich die folgenden Auswirkungen.

2.5.1 Tod des erstversterbenden Ehegatten

Sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, kommen bei einem begünstigten Vermögen bis zum Schwellenwert von 26.000.0000 EUR die Regelverschonung und daneben der Abzugsbetrag von 150.000 EUR[1] bzw. alternativ die Optionsverschonung[2] zur Anwendung. Bei Überschreiten des Schwellenwertes sind die vorgenannten Verschonungsmaßnahmen ausgeschlossen. Hier wird aber auf Antrag das Abschmelzmodell nach § 13c ErbStG angewendet oder die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG. Ferner gibt es einen Vorababschlag für Familienunternehmen[3]. Dieser wird vorrangig vor der Anwendung des Verschonungsabschlags nach § 13a Abs. 1 oder Abs. 10 ErbStG bzw. § 13c ErbStG oder der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG berücksichtigt[4] Für den Vorababschlag gibt es eine maximale Höhe. Liegt der zivilrechtliche Abfindungswert bei maximal 70 % des Verkehrswerts, dann kommt der volle Abschlag von 30 % zur Anwendung. Hinsichtlich der Auswirkungen bei einem Verstoß gegen die Voraussetzungen für den Vorwegabschlag auf den Schwellenwert von 26.000.000 EUR.[5]

 
Hinweis

Keine Antragstellung

Für die Inanspruchnahme des Vorababschlags nach § 13a Abs. 9 ErbStG bedarf es keines Antrags, dieser wird vom Finanzamt von Amts wegen berücksichtigt[6]

Jedoch ist der Erwerber verpflichtet, die Voraussetzungen nachzuweisen.

[3] § 13a Abs. 9 ErbStG, R E 13a.20 ErbStR 2019 und H E 13a.20 ErbStH 2019.
[4] R E 13a.20 Abs. 1 Satz 5 ErbStR 2019.
[5] S. H E 13a.20 ErbStH 2019 i. V. m. H E 13a.2 ErbStH 2019 mit einem Beispiel.
[6] R E 13a.20 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2019.

2.5.2 Tod des letztversterbenden Ehegatten

Die oben genannten Vergünstigungen finden auch für den Schlusserben Anwendung.

 
Praxis-Beispiel

Auch der Schlusserbe erhält die Vergünstigungen

Die Ehegatten E und F, die im Güterstand der Gütertrennung leben, haben sich in einem formgültigen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Darüber hinaus haben sie den gemeinsamen Sohn S als Schlusserben vorgesehen. Der vermögende Ehegatte E verstirbt im April 2023. Im Nachlass befindet sich neben Barvermögen in Höhe von 1.200.000 EUR auch ein Mitunternehmeranteil (Steuerwert 10.800.000 EUR). Verwaltungsvermögen soll nicht vorhanden sein. S hat keinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht. Sechs Monate nach dem Tod von E (im Oktober 2023) stirbt auch F. Anträge wurden weder von F noch von S gestellt. Die Erbschaftsteuerschuld begleicht F – mangels eigenen Vermögens – aus dem geerbten Barvermögen.

Lösung:

  1. Erbfall des E (im April 2023)

Von den Ehegatten wurde ein Berliner Testament errichtet. Demensprechend beerbt die F den E. Der Sohn S wurde somit enterbt. Da von ihm aber kein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wurde, unterliegt er zunächst keiner Besteuerung.

Besteuerung der F

Diese hat ihren Erwerb als Erwerb von Todes wegen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu besteuern.

Mangels Anträge kommt hier die Regelverschonung und daneben grundsätzlich der Abzugsbetrag von 150.000 EUR (§ 13a Abs. 1 und 2 ErbStG) zur Anwendung. Darüber hinaus ist vorab auch noch der Vorababschlag nach § 13a Abs. 9 ErbStG zu berücksichtigen.

Es ergibt sich nun folgende Berechnung:

Zunächst ist der Vorabschlag abzuziehen. Es ergibt sich somit die folgende Berechnung

 
Nach § 13b Abs. 2 ErbStG begünstigtes Vermögen 10.800.000 EUR
abzüglich Vorwegabschlag (30 % von 10.800.000 EUR) ./. 3.240.000 EUR
Verbleibender Betrag 7.560.000 EUR

Nunmehr ist der Ansatz des Betriebsvermögens zu ermitteln

 
Verbleibender Betrag nach Vorababschlag 7.560.000 EUR
abzüglich Verschonungsabschlag (85 % von 7.560.000 EUR) ./. 6.426.000 EUR
gleitender Abzugsbetrag (begünstigtes Vermögen hierfür zu hoch) 0 EUR
verbleibender Ansatz Betriebsvermögen 1.134.000 EUR

Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Erbschaftsteuer

 
verbleibender Ansatz Betriebsvermögen 1.134.000 EUR
Barvermögen + 1.200.000 EUR
Bereicherung 2.334.000 EUR
Beerdigungskostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG) ./. 10.300 EUR
Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ./. 500.000 EUR
Versorgungsfreibetrag (§ 17 Abs. 1 ErbStG) ./. 256.000 EUR
Steuerpflichtiger Erwerb 1.567.700 EUR
Erbschaftsteuer (Steuersatz 19 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) 297.863 EUR

Ergänzender Hinweis

Macht aber der Schlusserbe S doch seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber der F geltend und diese erfüllt ihn, indem sie begünstigtes Vermögen an S hingibt, dann sieht die Finanzverwaltung hierin einen Verstoß gegen die Behaltensregelungen (R E 13a.12 Abs. 3 Nr. 2 ErbStR 2019). Es kommt dadurch zu einer Nachversteuerung.

b) Erbfall F (im Oktober 2019)

Der Tod von F führt nicht dazu, dass die gewährten Verschonungsmaßnahmen wegfallen. Es liegt kein Verstoß gegen die fünfjährige Behaltensfrist nach § 13a Abs. 6 ErbStG vor (s. R E 13a.12 Abs. 2 Nr. 1 ErbStR 2019).

Die gilt auch für den Vorwegabschlag (R E 13.20 Abs. 8 Satz 1 ...

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